Österreich:Freihandel mit der Basis

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Ceta soll am 27. Oktober unterschriftsreif sein. (Foto: Daniel Müller/dpa)

Die regierende SPÖ will jetzt ihre Mitglieder und andere Bürger darüber abstimmen lassen, ob sie die umstrittenen Abkommen Ceta und TTIP wollen.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Die SPÖ hat erstmals in ihrer Geschichte eine Mitgliederbefragung anberaumt - zu einem so umstrittenen wie komplexen Thema: den Freihandelsabkommen Ceta und TTIP, welche die EU derzeit mit Kanada und den USA aushandelt. Dass die österreichische Sozialdemokratie, wie auch die deutsche, vor allem ersterem Abkommen ablehnend gegenübersteht, daraus hatte Bundeskanzler Christian Kern kein Geheimnis gemacht. Bereits im Sommer hatte er massive "Schwachstellen" nicht nur bei TTIP ausgemacht, das aber derzeit ohnehin vor dem Aus steht, sondern auch bei Ceta, der euro-kanadischen Variante, die schon am 27. Oktober unterzeichnungsreif sein soll. Nachverhandlungen zu Ceta zu fordern - das könne "ein Konflikt sein, den Österreich in der EU" jetzt auslöse, hat Kern nun vor wenigen Tagen angekündigt.

Jetzt ging der Kanzler, der zugleich SPÖ-Chef ist, gemeinsam mit seinem Generalsekretär vor die Presse und kündigte eine Mitgliederbefragung an, an deren Ergebnis man sich auch halten wolle. Zudem soll es am 14. September eine Enquête im Parlament geben, zu der Kritiker wie Befürworter der Freihandelsabkommen geladen werden, unter anderem die kanadische Handelsministerin. Man wolle mit beiden Aktionen keine "populistischen Reflexe" bedienen, so Kern, sondern einen schwierigen Entscheidungsprozess transparent diskutieren. Radikale Änderungen an Ceta seien beim derzeitigen Verhandlungsstand ohnehin nicht mehr realistisch; er setze aber auf "Korrekturen" . Vorstellbar sei für ihn etwa, noch eine Reihe von Kompetenzen von der europäischen auf die nationale Ebene zu verlagern.

Kern deutete an, dass er dafür positive Signale einiger Partnerländer bekommen habe. Er gehe davon aus, dass er nach Verhandlungen in Brüssel "nicht völlig mit leeren Händen" dastehe. Es sei allerdings auch möglich, dass die Partei bei ihrem Vorhaben "mit fliegenden Fahnen" untergehe.

Um den Kurs der Parteispitze abzusichern, der in Teilen auch vom Regierungspartner ÖVP gestützt wird, wird nun auch die Basis befragt. Dies ist Auftakt einer neuen "Organisationsreform", durch die die Mitglieder verstärkt an der Meinungsbildung teilnehmen sollen. Die ehemalige Volkspartei kommt derzeit bei Umfragen nur knapp über 20 Prozent hinaus, außerdem laufen ihr die Mitglieder weg. Das soll sich unter anderem mit der neuen Initiative ändern.

Die Befragung zu Ceta soll bis zum 18. September abgeschlossen sein. In dieser Zeit wird bei etwa 200 000 Parteimitgliedern (auch Nicht-Mitglieder dürfen teilnehmen) nun abgefragt, ob Österreich Ceta zustimmen solle, auch wenn die umstrittenen Schiedsgerichte noch im Vertrag stehen, wenn europäische Qualitätsstandards gesenkt werden könnten - und ob bei künftigen Verhandlungen die hohen EU-Standards sowie Transparenz gewahrt bleiben müssten. Es wäre allerdings mehr als überraschend, spräche sich die Basis angesichts der Fragen und des Debattenvorlaufs für Ceta aus. Zumindest hier ist Christian Kern also derzeit auf der sicheren Seite.

© SZ vom 03.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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