Österreich:Endlich Bewegung

In der politischen Mitte entsteht ein neues Bündnis. Höchste Zeit.

Von Cathrin Kahlweit

Die große Koalition in Wien regiert nun, mit Pausen zwar, schon viele Jahre. Sie wäre am Ende, selbst wenn es die Flüchtlingskrise und die Verunsicherung der Bürger über die Zukunft Europas nicht gäbe. Das rot-schwarze Dauerbündnis ist die Karikatur seiner selbst: eine Formation, die einst den Sozialstaat groß machte und in guten Zeiten ein gesegnetes Land mit Anstand verwaltete. Aber jetzt ist sie nicht mehr reformfähig, hat keine Gesprächsbasis. Auch deshalb ist die FPÖ so stark.

Die nächste Parlamentswahl wird, ja muss, früher kommen als geplant, weil noch zwei Jahre in dieser Blockade eine Katastrophe wären. Selbst wenn die Parteichefs guten Willens sind, so werden sie nicht mehr gehört. Politik in Krisenzeiten funktioniert wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung: eine totgesagte Regierung ist auch tot. Nun gibt es Bewegung in der Mitte, eine Plattform aus Liberalen, Unabhängigen und Konservativen könnte entstehen. Das ist unerhört genug für ein Land, in dem bunte Bündnisse undenkbar waren, bald aber wohl lebensnotwendig sein werden. Ein Großteil der Wähler wird das goutieren, sie sind neugierig, müde oder wütend - aber nicht alle Wutbürger wählen die Rechtspopulisten.

Die ÖVP bräuchte nun den Mut, sich von der FPÖ abzusetzen. Und die SPÖ müsste in die Opposition gehen. Auch das galt bisher als undenkbar. Österreichs Parteien müssen sich neu erfinden.

© SZ vom 11.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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