Österreich:Die Doppelpass-Offerte

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Die neue Regierung in Wien sieht vor, Südtirolern auch die österreichische Staatsbürgerschaft anzubieten. In Rom kommt das nicht gut an.

Von Oliver Meiler

In Italien verursachen sieben Zeilen aus dem österreichischen Regierungsprogramm etwas Aufregung - vor allem in Rom und Bozen. Der Passus auf Seite 33 trägt den Titel "Doppelstaatsbürgerschaft neu denken". Er handelt davon, dass "in Aussicht genommen wird", den Südtiroler Volksgruppen deutscher und ladinischer Muttersprache zusätzlich zum italienischen den österreichischen Pass anzubieten. Dies, heißt es noch, solle "im Geiste der europäischen Integration" geschehen. Alles recht vage also: eine Erwägung.

Die Zeitung Dolomiten aus Bozen schreibt aber schon: "Eine Woche vor Heiligabend ist ein lang gehegter Wunsch vieler Südtiroler in Erfüllung gegangen." Vor allem bei den Rechtsparteien ist die Freude bereits groß: Der Doppelpass gehört seit vielen Jahren zu ihrem Forderungskatalog. Die regierende Südtiroler Volkspartei relativiert: Es gehe in dieser Sache ja nicht um Sezession, sondern um Symbolik und die "emotionale und ideelle Bindung der Südtiroler zu Österreich", sagte Landeshauptmann Arno Kompatscher. "Wir dürfen nicht denselben Fehler machen wie die Katalanen und zählen, wie viele sich dafür entscheiden." Doch diese Versuchung wäre, wenn es die Möglichkeit tatsächlich gäbe, wahrscheinlich groß: Zu beiden Sprachgruppen zählen sich 75 Prozent der Südtiroler.

In Rom empfindet man die sieben Zeilen auf Seite 33 gerade deshalb als Affront. Aus Italiens Außenministerium hieß es, der Vorstoß der neuen österreichischen Regierung könne die Autonomiebestrebungen in Südtirol wieder befeuern. "Das unilaterale Versprechen", sagte Staatssekretär Benedetto Della Vedova, "wirkt wie eine ethnisch-nationalistische, eiserne Faust." Der drastische Tonfall ist wohl dem Wahlkampf geschuldet. Auch die Zeitung Corriere della Sera warnt in einem Kommentar, die Zeit zurückzudrehen: Das Zusammenleben in Südtirol werde schließlich in aller Welt als "tugendhaftes Modell" angesehen. Das Blatt erinnerte daran, dass es den Südtirolern in Italien besser gehe als den Tirolern in Österreich, auch finanziell: Südlich des Brenners betrage das Pro-Kopf-Einkommen 42 400 Euro, nördlich 39 200 Euro.

Solche Diskussionen dürften sich nun wieder häufen. Am politischen Status Südtirols würde der Doppelpass aber nichts ändern. Die Entscheidung für einen zweiten Pass wäre jeweils eine rein persönliche Angelegenheit ohne gesamtpolitische Aussagekraft, sagte ein Rechtsexperte der Dolomiten - eine emotionale eben.

© SZ vom 19.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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