OECD Studie:Ungleichheit schadet der Wirtschaft

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Der Unterschied zwischen Arm und Reich ist so groß wie seit 30 Jahren nicht. Das dämpft das Wachstum, warnt die OECD.

Von A. Hagelüken, München

Arm und Reich klaffen in der westlichen Welt so stark auseinander wie seit 30 Jahren nicht mehr. Nach einer neuen Studie der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) hat die Ungleichheit in den meisten Industriestaaten zugenommen. Auch in Deutschland: Während die reichsten zehn Prozent der Deutschen vor 30 Jahren fünf Mal so viel verdienten wie die ärmsten zehn Prozent, sind es inzwischen fast sieben Mal so viel. Die Denkfabrik der Industriestaaten gilt nicht als links, doch will sie mit der Meinung aufräumen, Ungleichheit fördere das Wachstum. Sie fordert, Reichere sollten mehr Steuern zahlen.

Die Bundesrepublik belegt unter 34 OECD-Staaten nur Rang 14. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist also größer als in Skandinavien, Holland oder Belgien, aber auch als in vielen ehemaligen Ostblock-Staaten. Positiv ist in Deutschland, dass die Ungleichheit seit dem Jahr 2007 nicht mehr anstieg. Allerdings liegt das Vermögen in den Händen von weniger Menschen als anderswo: Während die reichsten zehn Prozent im OECD-Schnitt 50 Prozent des Vermögens eines Landes besitzen, sind es in Deutschland sogar 60 Prozent.

In vielen Staaten hätten die ärmeren 40 Prozent, die nur drei Prozent des Vermögens besitzen, kaum vom Wachstum profitiert. "Wenn den ärmeren 40 Prozent so etwas passiert, zerfasert das soziale Gefüge", schreiben die Autoren. Provozierend neu ist, dass die OECD an einer ökonomischen Theorie rüttelt. Bisher wird oft behauptet, dass ein gewisses Maß an Ungleichheit gut für eine Gesellschaft ist: Sie gebe den Ärmeren den Anreiz, sich hochzuarbeiten und sich um bessere Bildung zu kümmern. Die empirischen Belege für oder gegen diese These sind nicht eindeutig. Nun versucht die OECD nachzuweisen, dass es ganz anders ist: Demnach vergrößert eine zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich das Wirtschaftswachstum nicht - sie reduziert es.

Eine zentrale Ursache dafür liegt in Bildung und Qualifikation. Nimmt die Ungleichheit in einer Gesellschaft deutlich zu, schrumpft bei den geringer verdienenden 40 Prozent die Zahl der Uni-Absolventen und die Ausbildungszeit sinkt um ein halbes Jahr. Gründe dafür: Die Bürger können sich die Investitionen in Bildung nicht mehr leisten, finden schwerer gute Ausbildungsstätten - oder glauben nicht mehr an den Sinn der Anstrengungen. "In Wahrheit gibt es kaum Gesellschaften, die Chancengleichheit schaffen", klagt die OECD.

Der volkswirtschaftliche Effekt ist gewaltig: Die Zunahme der Ungleichheit habe zwischen 1990 und 2010 das Wachstum der OECD-Staaten um fast fünf Prozent reduziert. Das wären für die Bundesrepublik weit mehr als 100 Milliarden Euro Verlust.

Um das zu ändern, fordert die OECD die Regierung unter anderem auf, sich mehr um Bildung und die Bedürfnisse von Familien mit Kindern zu kümmern. Brisant ist eine andere Forderung. Die Forscher erklären die Zunahme der Ungleichheit auch damit, dass der Westen weniger von oben nach unten umverteile - zum Beispiel würden Reichere weniger besteuert: "Die Politik muss dafür sorgen, dass Reichere und multinationale Unternehmen ihren Teil der Steuerlast tragen", fordert die Organisation.

© SZ vom 22.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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