Obama in Europa:Willkommen in der Wirklichkeit

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"America first": Die Vehemenz, mit der Donald Trump diese Botschaft verkündete, hat viele verschreckt. (Foto: Mike Segar/Reuters)

Auf einmal spricht der amerikanische Präsident im Namen seines ungeliebten Nachfolgers Donald Trump und versucht, die Verbündeten zu beruhigen. Was hat denn das zu bedeuten?

Von Hubert Wetzel

Barack Obama als Donald Trumps Pressesprecher - dass er einmal diese Rolle spielen würde, hat der scheidende US-Präsident wohl nicht gedacht. Doch da stand er am Montag im Weißen Haus bei einer der letzten Pressekonferenzen seiner Amtszeit und erklärte der Welt, was sein Nachfolger außenpolitisch vermutlich so machen werde.

Einiges davon war offenbar abgesprochen. Deutet man Obamas Aussagen richtig, dann haben er und Trump sich bei ihrem Treffen vorige Woche darauf geeinigt, dass der Noch-Präsident in den kommenden Tagen bei seiner Reise nach Europa eine Mitteilung überbringen soll. Trump hatte im Wahlkampf die europäischen Verbündeten durch seine Kritik an der Nato aufgeschreckt und Zweifel daran geweckt, ob er das mit der Beistandspflicht im Angriffsfall so ernst nehmen würde. Diese Ängste versuchte Obama zu dämpfen. "In meinem Gespräch mit dem künftigen Präsidenten hat dieser ein großes Interesse daran gezeigt, dass unsere wichtigsten strategischen Partnerschaften erhalten bleiben", sagte er. "Ich werde also die Botschaft überbringen können, dass er sich der Nato und dem transatlantischen Bündnis verpflichtet fühlt."

Diese Aussage dürfte von den europäischen Regierungschefs, die Obama Ende der Woche in Berlin trifft, mit Erleichterung aufgenommen werden. Noch erleichterter werden sie freilich sein, wenn sie Ähnliches aus dem Mund von Trump oder wenigstens von dessen neuem Außen- oder Verteidigungsminister hören.

Wer diese Ämter übernehmen wird, war am Dienstag zunächst noch nicht klar. Mehrere Kandidaten sind offenbar im Rennen, und die Spekulationen darüber, wer gerade vorne liegt, sind ein beliebtes Washingtoner Gesellschaftsspiel.

Für das Außenministerium wurden drei Namen genannt: Newt Gingrich, Rudy Giuliani und John Bolton. Keiner dieser Männer gilt als Freund humanitärer Interventionen, alle sind eher Hardliner und Nationalisten als Internationalisten; alle drei wären daher wohl geeignet, die von Trump angekündigte "America-first"-Politik umzusetzen - die Konzentration auf eng definierte amerikanische Interessen.

Jeder der Kandidaten für das Außenministerium wäre eine Herausforderung für Europa

Besonders Bolton, der unter dem republikanischen Präsidenten George W. Bush UN-Botschafter war, ist kein Freund des Multilateralen, vor allem nicht, wenn die Zusammenarbeit mit anderen Staaten die Handlungsfreiheit Amerikas einschränkt. Der ehemalige New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani ist ein scharfer Falke, wenn es um den Anti-Terror-Kampf geht, aber er dürfte kein so ideologisch verbissener Unilateralist wie Bolton sein. Dennoch - jeder dieser Kandidaten wäre eine Herausforderung für die US-Verbündeten.

Auch für das Verteidigungsministerium kursieren mindestens zwei Namen: Jeff Sessions und Stephen Hadley. Der republikanische Senator Sessions war einer der frühesten Trump-Unterstützer im Kongress. Er ist auch als möglicher Justizminister im Gespräch, sollte Giuliani dieses Amt nicht wollen. Hadley wiederum wäre eine interessante Wahl für das Pentagon, weil er genau jener außenpolitischen Expertenwelt entstammt, die so sehr mit Trump gehadert hat - und die Donald Trump so verachtet.

Hadley hat eine lange Karriere in republikanischen Regierungen hinter sich, zuletzt war er Sicherheitsberater von Bush. Berichten zufolge drängen einige Berater Trump, Hadley zu ernennen, weil das ein Signal an das sicherheitspolitische Establishment wäre, dass der neue Präsident die Außen- und Sicherheitspolitik ernst nimmt. Das wiederum könnte erfahrene Leute - und deren Sachverstand - in die Regierung ziehen, die sich sonst eher raushalten würden.

Was Obama sagt, klingt mehr nach Hoffnung als nach Überzeugung

Was Trump tatsächlich außenpolitisch vorhat, ist immer noch nebulös. Im Wahlkampf hat er alle möglichen Ankündigungen gemacht; vor allem aber hat er die Außenpolitik Obamas als desaströs kritisiert. Allerdings unterschied sich Trumps Kritik in wesentlichen Punkten von den Vorwürfen, die andere republikanische Außenpolitiker stets erhoben haben. So warf Trump Obama vor, die Beziehungen zu Russland beschädigt zu haben. Republikanische Hardliner wie Bolton geißelten Obama hingegen dafür, zu weich mit Moskau umzugehen. Ähnlich war es im Falle Syriens: Trump kritisierte, dass Obama den Rebellen geholfen hat, die gegen den von Moskau und Teheran unterstützten Diktator Baschar al-Assad kämpfen. Der in republikanischen Kreisen eigentlich gängige Vorwurf ist dagegen, dass Obama zu ängstlich war und Assads Truppen aus der Luft hätte bombardieren sollen.

Sicher scheint zu sein, dass Trump eine Art Neuanfang mit Russlands Präsident Wladimir Putin versuchen will. In einem Telefonat am Montag kamen die beiden überein, dass die Beziehungen derzeit "unbefriedigend" seien und verbessert werden müssten (siehe nebenstehenden Bericht). Das wichtigste gemeinsame Ziel sei der Kampf gegen den islamischen Terrorismus, vor allem in Syrien. Der Kreml betonte, dass man sich künftig aus den inneren Angelegenheiten des jeweils anderen Staates heraushalten müsse. Das entbehrte nicht einer gewissen Ironie, nachdem Moskau sich gerade mit Hackerangriffen und der Veröffentlichung von E-Mails massiv in die US-Wahl eingemischt hatte.

In Teilen Osteuropas, besonders in der Ukraine und im Baltikum, dürfte die neue amerikanisch-russische Einigkeit Sorge auslösen. Allerdings hatte auch Obama weiland einen "Neustart" mit Putins Russland versucht. Er scheiterte am aggressiven Verhalten Moskaus. Es gibt keine Garantie, dass Trump nicht Ähnliches widerfährt.

Obama zumindest erwartet, dass die Realität dem neuen Präsidenten schon genügend Lektionen erteilen wird. Trump werde sich zum Beispiel gut überlegen, ob er das Atomabkommen mit Iran tatsächlich kündigen wolle, sagte Obama bei seiner Pressekonferenz. Das würde die USA weltweit isolieren und Iran einer Atombombe noch schneller näherbringen, warnte er. Im Wahlkampf könne man allerlei Zeug versprechen, als Präsident müsse man jedoch die Konsequenzen verantworten, und das werde Trump schon einsehen. Das allerdings klang mehr nach Hoffnung als nach Überzeugung.

© SZ vom 16.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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