Obama besucht Israel:Im Eiltempo durch den Nahost-Konflikt

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Barack Obama auf "Wirbelwind-Reise": 34 Stunden in Israel sollen genügen, um den jüdischen Wählern in den USA die Angst vor Obama zu nehmen.

Thorsten Schmitz

Barack Obama kann kaum verschnaufen nach seiner Ankunft in Jerusalem Dienstagnacht. Nach Sonnenaufgang wollte der demokratische Kandidat für die US-Präsidentschaft im Stundentakt Termine absolvieren, unter anderen bei Präsident Schimon Peres, Regierungschef Ehud Olmert, Verteidigungsminister Ehud Barak sowie Oppositionsführer Benjamin Netanjahu.

Auf "Wirbelwind-Reise": Barack Obama nach der Landung in Amman (Foto: Foto: AP)

Außenministerin Tzipi Livni will Obama die Probleme des Landes auf einem Helikopterflug über Israel und das Westjordanland erläutern. Nach Angaben der US-Botschaft in Tel Aviv wird Obama außerdem die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem besuchen, in die Kleinstadt Sderot fahren nahe dem Gaza-Streifen, die seit Jahren von palästinensischen Terroristen mit Raketen beschossen wird, und einen fototrächtigen Abstecher an die Klagemauer absolvieren.

Außerdem wird Obama für zwei Stunden nach Ramallah ins Westjordanland reisen, wo er Palästinenserpräsident Machmud Abbas trifft. Die Jerusalem Post bezeichnete Obamas Israel-Visite als "Wirbelwind-Reise".

Dass Obama sich von 36 Stunden nur zwei in den Palästinensergebieten aufhalten wird, sorgt dort für Verärgerung. Das Wahlkampfteam Obamas nimmt die Kritik der Palästinenser in Kauf. Wichtiger sind ihnen die jüdischen Wähler daheim.

Einflussreiche Minderheit

Obama will mit seinem Zwischenstopp in Jerusalem Solidarität mit Israel bezeugen und diese Botschaft - mittels der hundert mitreisenden Journalisten - auch nach Hause weitertragen. Die Voten jüdischer Amerikaner können am 4. November in Staaten wie Florida und Ohio entscheidend sein. Einer Gallup-Umfrage zufolge unterstützten im Mai nur 61 Prozent der amerikanischen Juden Obama.

Der demokratische Kandidat John Kerry hatte 2004 noch 74 Prozent für sich gewinnen können. Juden machen zwar nur vier Prozent der gesamten Wählerschaft aus, nehmen aber überproportionalen Einfluss auf die Politik durch hohe Wahlkampfspenden und pro-israelische Lobbygruppen.

Die 34 Stunden in Israel sollen den jüdischen Wählern in den USA die Angst vor Obama nehmen und signalisieren, dass der jüdische Staat in seiner außenpolitischen Agenda Priorität genießt. Vor allem ältere und religiöse Juden hegen die Befürchtung, als Präsident würde Obama weniger Sympathien gegenüber Israel an den Tag legen als Amtsinhaber George W. Bush.

In diesem Zusammenhang wird gerne auf Obamas Mittelnamen "Hussein" verwiesen (sein kenianischer Vater hieß so) ebenso wie auf Obamas Absicht, mit Israels Erzfeinden Iran und Syrien reden zu wollen. Oppositionsführer Netanjahu und Regierungschef Olmert wollen Obama nach Auskunft ihrer Sprecher davon abraten, mit Teheran in einen Dialog zu treten.

Umstrittene Rede

Für Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit sorgte Obama selbst. Anfang Juni hatte Obama vor der mächtigen pro-israelischen Lobbygruppe AIPAC in Washington eine Rede gehalten, die ihm minutenlangen Applaus der 7000 Delegierten bescherte. Obama hatte gesagt, in Bezug auf Israels Sicherheit würde er als Präsident keine Kompromisse machen, und mit Blick auf Iran hatte er erklärt, wer Israel bedrohe, bedrohe auch die USA. Seine Rede gipfelte in dem Satz, Jerusalem bleibe Hauptstadt Israels und dürfe nicht geteilt werden.

Die Jerusalem-Frage gehört zu den kompliziertesten Streitfragen. Israel will Jerusalem nicht teilen, die Palästinenser beanspruchen den von Israel im Sechs-Tage-Krieg 1967 eroberten und später annektierten arabischen Ostteil als Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaates.

Natürlich löste die Rede wütende Kritik der Palästinenser und arabischen Länder aus. Die Hamas schimpfte, Obama sei ein "zionistischer Pudel". Nur wenige Stunden später revidierte Obama die Jerusalem-Passage und behauptete, seine Rede habe missverständliche Formulierungen enthalten. Er habe sagen wollen, dass Jerusalem nicht durch Stacheldraht und Barrieren geteilt werden dürfe.

Diese Volte ließ das Misstrauen von Israelis und jüdischen US-Wählern gegenüber Obama wachsen. Der angebliche Versprecher wird als Beleg dafür gewertet, dass Obama in außenpolitischen Angelegenheiten unerfahren sei und sich Israel nicht auf ihn verlassen könne. Auch, weil Obama bereits die jüdischen Siedlungen angesprochen hat, im Gegensatz zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain, der das Thema bei seinem Besuch in Israel im März erst gar nicht erwähnt hat.

© SZ vom 23.07.2008/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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