NSU-Prozess:Spekulationen um eine Tüte

Vierter Anwalt

Beate Zschäpe hat schon drei Pflichtverteidiger, nun soll sie noch einen vierten Anwalt dazu bekommen: Um die Vertrauenskrise der Hauptangeklagten mit ihren Verteidigern zu begegnen, erwägt das Gericht, Zschäpe den Münchner Anwalt Mathias Graser an die Seite zu stellen. Die Richter warten vermutlich nur noch die Stellungnahmen der Prozessbeteiligten dazu ab, bis Mittwoch haben sie Zeit. Aber vermutlich stimmen alle einem vierten Anwalt für Zschäpe zu - aus Sorge, sonst könnte sich das Verfahren weiter verzögern oder die Angeklagte so unpässlich werden, dass der Prozess sogar wegen Verhandlungsunfähigkeit platzen könnte. Der junge Strafverteidiger Graser hat bereits mit Zschäpe gesprochen, jedoch den NSU-Prozess bisher nicht intensiv verfolgt. Annette Ramelsberger

Ein hessischer Verfassungsschützer beschäftigt den NSU-Prozess: Der Mann hatte sich in einem Kasseler Internetcafé aufgehalten, als dort der 21-jährige Halit Yozgat ermordet wurde.

Von Tanjev Schultz

Sie war wütend auf ihren Mann und auch verzweifelt. Wieso hat er sie in so eine Situation gebracht? Eva T. saß in der Badewanne, hochschwanger, als die Polizei kam und ihren Mann Andreas mitnahm. Der Beamte, der für den Verfassungsschutz in Hessen arbeitete, stand unter Mordverdacht. Er hatte sich in einem Internetcafé in Kassel aufgehalten, als dort der 21-jährige Halit Yozgat ermordet wurde. Das war am 6. April 2006. Andreas T. ging in den Laden, um in einem Flirtforum zu chatten. Auch deshalb fiel seine Frau aus allen Wolken. Wie aufgeregt sie war, hört man in einem Gespräch, das Eva T. wenige Tage nach dem ersten Schock mit ihrer Schwester führte.

Im NSU-Prozess werden am Dienstag Auszüge aus dem Telefonat, das die Polizei abgehört hat, vorgespielt. Für Eva T., die erstmals in dem Fall als Zeugin auftritt, ist das nicht angenehm. Noch weniger für die Familie des Opfers, die Eltern von Halit Yozgat. Sie hören nun, wie sich Eva T. über ihren Mann aufregte, sich in Sarkasmus flüchtete - und eine rassistische Bemerkung machte: Ihr Mann habe seine Zeit in einer "Asselbude" bei so einem "Dreckstürken" verplempert. Eva T. sagt, sie sei erschrocken darüber, was sie damals gesagt hat: "Dass ich mich so scheußlich geäußert habe über türkische Menschen, das ist nicht meine Einstellung."

Das Verfahren gegen Andreas T. wurde eingestellt; als Täter gelten die NSU-Terroristen. Der Beamte ist aber eine Figur geblieben, an der viele Fragen hängen. Hat er nichts vom Mord mitbekommen? Seine Frau sagt, er habe ihr erzählt, er habe nichts gesehen. So hat er es auch vor Gericht beteuert. Er bestreitet zudem, eine Plastiktüte dabeigehabt zu haben, als er in dem Laden war. Ein Zeuge will eine Tüte gesehen haben, es wurde darüber spekuliert, in dem Beutel könnte eine Pistole gewesen sein. Eva T. hasst es, wenn Männer Tüten tragen; das sehe so "asi" aus, sagte sie ihrer Schwester. Andreas T. bekräftigte, er habe keinen Beutel gehabt. Der Vater des Mordopfers, Ismail Yozgat, gibt eine Erklärung ab und wirft Andreas T. vor, zu lügen. Entweder habe dieser seinen Sohn getötet oder die Täter und die Leiche gesehen. Der Vater beantragte, dass der Strafsenat eine Tatortbesichtigung vornimmt.

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