NSU-Prozess:Mühsames Prozedere

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Die Angeklagte Beate Zschäpe will nur schriftlich auf einen Fragenkatalog antworten. Außerdem beantragt sie einen fünften Pflichtverteidiger. Wer den bezahlen soll, ist offen.

Von Tanjev Schultz, München

Am Tag vor ihrer geplanten Aussage hat Beate Zschäpe beantragt, einen fünften Pflichtverteidiger zu bekommen. Richter Manfred Götzl gab dies am Dienstag im NSU-Prozess bekannt. Zschäpe will, dass Hermann Borchert, der bereits als ihr Wahlverteidiger tätig ist, vom Gericht bestellt wird. An diesem Mittwoch will er erstmals im NSU-Verfahren im Gerichtssaal erscheinen und neben Zschäpe Platz nehmen. Eine Entscheidung darüber, ob Borchert künftig vom Staat für das Mandat bezahlt wird, ist aber noch nicht gefallen.

Es wäre ungewöhnlich, rechtlich aber möglich, dass ein Gericht fünf Verteidiger verpflichtet. Im Sommer war bereits Borcherts Kanzleikollege Mathias Grasel als vierter Pflichtverteidiger neu ins NSU-Verfahren gekommen. Mit ihren ursprünglich drei Anwälten hatte sich die Angeklagte überworfen, eine Entbindung von dem Mandat lehnte das Gericht jedoch ab. Zschäpe ist mittellos, deshalb stellte sich die Frage, wie sie einen Wahlverteidiger aus eigener Tasche bezahlen könnte.

Mehrere Angehörige von Opfern reisen an, sie warten gespannt auf die Aussage

Gemeinsam mit Borchert und Grasel hat Zschäpe die Erklärung ausgearbeitet, die an diesem Mittwoch verlesen werden soll. Darin will sie auf alle Vorwürfe eingehen. Die Bundesanwaltschaft sieht in Zschäpe eine Mittäterin bei allen NSU-Verbrechen, unter anderem zehn Morden.

Richter Manfred Götzl erkundigte sich am Dienstag nach Zschäpes Gesundheit. Borchert hatte dem Gericht mitgeteilt, seiner Mandantin gehe es nicht gut, sie sei völlig aus dem Gleichgewicht. Nun aber nickte Zschäpe, als Götzl fragte, ob es ihr gut gehe. Borchert und Grasel regten an, die Verhandlung am Donnerstag ausfallen zu lassen, um Zschäpe nach ihrer Erklärung etwas Erholung zu ermöglichen. Darüber sei noch nicht entschieden, sagte Götzl. Er wolle zunächst Zschäpes Aussage abwarten.

Er erkundigte sich zudem, wie Zschäpe Fragen beantworten wolle. Nach Grasels Vorstellung soll Götzl einen Fragenkatalog übergeben, der wiederum schriftlich beantwortet werden würde. Fragen "ad hoc" zu beantworten sei schwierig, sagte Grasel. Bisher ist offen, ob das Gericht diesen Ablauf akzeptiert; es könnte ein extrem mühsames Prozedere werden, da Götzl sehr viele Fragen an Zschäpe haben dürfte.

Mehrere Angehörige von NSU-Opfern reisten nach München zum Oberlandesgericht. Sie warten gespannt auf Zschäpes Aussage und erhoffen sich Auskunft über das Leben im Untergrund und die Hintergründe der Morde. Allerdings bezweifeln viele Nebenkläger, dass Zschäpe die Wahrheit sagen werde. Sie habe da keine großen Hoffnungen, sagte Gamze Kubaşık, deren Vater 2006 in Dortmund ermordet worden ist.

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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