NSU-Prozess:Kleine autonome Gruppen

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Ein Briefwechsel zeigt die politische Strategie des NSU.

Von Annette Ramelsberger, München

Sie entboten sich "heidnisch-germanische Grüße", sie beschwerten sich über das "Krummnasen-System", das seinen "Rüssel" in ihre Telefonleitungen steckt, sie nannten Türken "Kameltreiber". Wenn Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe in den Neunzigerjahren mit ihren Freunden korrespondierten, nutzten sie nicht nur Neonazi-Begriffe, sie offenbarten darin auch ihre politische Strategie - eine Strategie, die Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt später offenbar im NSU umgesetzt haben: die der unabhängig voneinander zuschlagenden Gruppen.

Die Briefe, die am Mittwoch im Gericht verlesen wurden, sollten den ideologischen Hintergrund der Terrorgruppe beleuchten, die zehn Menschen getötet hat. So schrieb offenbar Uwe Mundlos 1996 an Freunde aus der rechten Szene: ",Denn egal was anliegt, kaum sind mehr als 30 Mann versammelt, so kann man doch schon getrost davon ausgehen, dass ein Spitzel oder Angstanscheißer mit darunter ist und leider gibt es ja dafür nicht mal eine wirksame Alternative, bis auf die, wo ich aber noch immer zweifel, ob sie uns wirklich zum Sieg führen kann, was da heißt in kleinen autonomen Gruppen arbeiten." Mundlos unterschrieb mit "Eure Jenaer".

Sie schickten sich "heidnisch-germanische Grüße", und: "Haltet die Fahnen hoch"

Daraufhin schrieb ihnen ihr Freund Torsten Schau aus dem Gefängnis: "Wir dürfen gerade jetzt nicht aufgeben, das will dieser Staat bloß. Die Arbeit in kleinen autonomen Gruppen, wie du Uwe es schreibst, wird von vielen Kameraden geplant bzw. schon in die Realität umgesetzt. Es werden auch keine neuen Parteien mehr gegründet, man bildet Interessengruppen, die noch nicht verboten werden können. Falls Du/ Ihr mal paar Adressen haben wollt, kein Problem. So, das soll's für heute gewesen sein, lasst euch nicht unterkriegen, haltet die Fahnen hoch. In diesem Sinne verbleibt mit heidnisch-germanischen Grüßen, Eurer Freund Torsten." Offensichtlich waren Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe schon auf diesem Weg. Anfang 1998 tauchten sie unter und flogen erst 13 Jahre später auf.

Am 15. September geht der Prozess weiter, dann aber vermutlich wieder an drei Tagen in der Woche - vor der Sommerpause waren die Prozesstage auf zwei je Woche reduziert worden, um die Gesundheit von Beate Zschäpe zu schonen. Die aber wirkte lebendig und präsent und unterhielt sich angeregt mit ihrem vierten Anwalt Matthias Grasel. Ihr Pokerface hat sie nun offensichtlich abgelegt, sie kommentiert den Prozessverlauf mit ihrer Mimik. Als ihre alten Anwälte Anträge gegen die Verlesung einiger Briefe stellten und erklärten, sie wollten ihre Mandantin ordentlich verteidigen, da riss Zschäpe die Augen auf und lächelte spöttisch.

© SZ vom 04.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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