NPD:Ihr müsst draußen bleiben

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Die rechtsextreme Partei möchte eine Veranstaltung in Wetzlar abhalten, doch das Rathaus der hessischen Stadt sagt kategorisch Nein - und bleibt dabei, obwohl das Bundesverfassungsgericht der Partei recht gibt.

Das deutsche Verwaltungsrecht ist für seine Komplexität bekannt und gelegentlich auch gefürchtet, aber dies dürfte selbst für erfahrene Juristen ein höchst unüblicher Fall sein: Eine Kommunalverwaltung trotzt dem höchsten deutschen Gericht. Entgegen einer anderslautenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat die hessische Stadt Wetzlar die rechtsextreme NPD am Samstag nicht in die Stadthalle gelassen. Nach eigener Rechtsauffassung verstößt die Verwaltung damit aber nicht gegen die Anordnung aus Karlsruhe. Ein Sprecher sagte, die Stadt Wetzlar erkenne "diese Urteile selbstverständlich an".

Theoretisch durfte die NPD also in die Halle, praktisch aber trotzdem nicht. Wie ist das zu erklären? Weil die Partei, wie die Gemeinde argumentiert, nicht alle Bedingungen für einen Mietvertrag erfüllt habe. "Der NPD wurde soeben die Möglichkeit gegeben, die Erfüllung dieser Mietbedingungen nachzuweisen, was nicht erfolgt ist", teilte die Stadt mit: "Deshalb findet die Veranstaltung der NPD in der Stadthalle Wetzlar nicht statt." Unter anderem habe der Versicherungsschutz nicht den Auflagen entsprochen. Wetzlars Oberbürgermeister Manfred Wagner (SPD) sagte, es könne doch nicht sein, dass Veranstalter von Abiturbällen und Landfrauentreffen ihre Auflagen einhielten, die NPD dies aber nicht tue: "Der Veranstalter muss die Bedingungen erfüllen. Wenn er sie nicht erfüllt, dann können wir die Tür nicht aufschließen."

Hintergrund des Streits ist ein Dauerkonflikt zwischen vielen Kommunen und den Gerichten. Die NPD gilt als verfassungswidrig, ist aber nicht verboten; zwei Anläufe dazu scheiterten vor dem Bundesverfassungsgericht. In vielen Rathäusern möchte man rechtsextreme Aufmärsche verhindern, die dort erlassenen Verbote werden von höchsten Gerichten regelmäßig unter Verweis auf die Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit gekippt.

2000 Menschen protestierten mit einem "Festival der Demokratie" gegen die Rechtsextremen

So verlief die Vorgeschichte auch hier. Das Verwaltungsgericht Gießen hatte die Stadt Wetzlar bereits im Dezember verpflichtet, der NPD die Halle zu überlassen. Das Bundesverfassungsgericht habe der Stadt aufgetragen, der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu folgen, sagte ein Sprecher des Gerichts am Samstag in Karlsruhe. Am Freitagabend hatte auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel einen weiteren Beschluss des Gießener Verwaltungsgerichts bestätigt. Danach sei ein angedrohtes Zwangsgeld gegen die Stadt Wetzlar in Höhe von 7 500 Euro rechtmäßig.

Für das Wochenende hatte die Polizei "demonstrative Akte" des Protestes durch Rechtsextreme nicht ausgeschlossen und starke Kräfte zusammengezogen. Es blieb dann aber ruhig, der Samstag sei "friedlich und ohne besondere Vorkommnisse" verlaufen. Nach Einschätzung der Polizei waren etwa 200 Menschen nach Wetzlar gekommen, die zur NPD-Veranstaltung wollten. Sie standen dort vor verschlossenen Türen. Man habe sie "unter Kontrolle" gehabt, sagte ein Polizeisprecher dem Evangelischen Pressedienst. Die Beamten nahmen vier Personen aus dem rechten Spektrum vorübergehend fest, weil sie eine verbotene Fahne und zwei verbotene Waffen dabei hatten. Die Polizei hatte bereits am Freitag angekündigt, gegebenenfalls das Hausrecht der Stadt Wetzlar zu wahren. Um die Stadthalle wurde eine Absperrung eingerichtet. An Protesten gegen die NPD beteiligten sich rund 2000 Menschen. Sie feierten ein "Festival der Demokratie".

Hat die Stadt Wetzlar nun korrekterweise auf Verstöße gegen Versammlungsauflagen reagiert oder trickreich eine klare Anordnung aus Karlsruhe unterlaufen? Muss sie gar Buße zahlen? Der Fall dürfte die Verwaltungsgerichte noch beschäftigen.

© SZ vom 26.03.2018 / epd, dpa, jkä - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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