NPD:Hartes Parteiverbot, weiches Parteiverbot

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Die Streichung von Staatsgeldern ist noch nicht der Tod einer Partei, wohl aber ein wenig Sterbehilfe; das Schwert des Rechtsstaats - das Parteienverbot - ist etwas stumpfer geworden. Das muss aber kein Schaden sein.

Von Wolfgang Janisch

Trostpreis - danach klang ein wenig. Am 17. Januar ließ das Bundesverfassungsgericht zwar den NPD-Verbotsantrag des Bundesrats scheitern, bot der Politik aber eine Kompensation an. Wenn, wie im Fall der NPD, eine Partei zwar "verfassungsfeindlich" sei, aber aus Mangel an Umsturzpotenzial nicht verboten werden könne - dann könnte man ihr wenigstens die staatliche Parteienfinanzierung streichen. Niemand konnte das höchstrichterliche Augenzwinkern übersehen: Dreht ihnen den Geldhahn zu, dann kommt ihr doch noch zum Ziel.

Ein Trostpreis? Das Gericht neigt eher nicht zur Vergabe kleiner Aufmerksamkeiten. Nein, das war kein Trostpreis. Der wie nebenbei ins Urteil eingeflochtene Hinweis, der "verfassungsändernde Gesetzgeber" könne den Finanzierungsentzug ja ins Grundgesetz schreiben, war nicht weniger als der absichtsvolle Anstoß zur Einführung eines "kleinen Parteiverbots" - zur finanziellen Austrocknung verfassungsfeindlicher Parteien.

Wie man Verfassungsfeinden den Geldhahn zudreht

Denn der Vorschlag aus Karlsruhe gehört zu jener Art von Angeboten, welche die Politik nicht ablehnen kann, will sie sich nicht um ihre Glaubwürdigkeit bringen. Das zeigt der Vorstoß des Bundesrats vom Freitag. Er regt eine entsprechende Grundgesetzänderung an. Was auch sonst, wo es doch der Bundesrat war, der die NPD verbieten wollte. Alle Diskussionen um ein NPD-Verbot endeten in den vergangenen Jahren stets mit demselben bitteren Seufzer: dass die auch noch Staatsgelder bekommen müssen! Nun, da das Bundesverfassungsgericht das Verdikt "verfassungsfeindlich" ausgesprochen hat, ist der politische Druck unwiderstehlich geworden, den Extremisten ans Geld zu gehen. Insofern ist der Vorstoß des Bundesrats konsequent. Wenn die NPD nach ihrer politischen Insolvenz auch finanziell pleitegeht - recht so. Juristisch ist das umsetzbar, wobei Bundesinnenminister Thomas de Maizière zu Recht zu verfassungsrechtlicher Sorgfalt mahnt. Man wird Regeln für ein kleines Parteiverbot schaffen müssen - unter der alleinigen Zuständigkeit des Verfassungsgerichts, alles andere würde dem hohen Rang der Parteienfreiheit nicht gerecht. Funktionieren könnte das Verfahren nach der Formel "Verfassungsfeindlichkeit minus Gefährdungspotenzial". Was man dazu braucht, steht im NPD-Urteil.

Was hingegen nicht in der Karlsruher Entscheidung steht: Mit der Einführung des "kleinen Parteiverbots" wäre das herkömmliche Verbotsverfahren praktisch tot. Der Entzug der staatlichen Parteienfinanzierung würde zum Mittel der Wahl, wenn es gilt, gegen extremistische Parteien vorzugehen. Das gebietet bereits der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zur verfassungsrechtlichen DNA gehört: Bevor man eine Partei komplett von der politischen Landkarte tilgt, streicht man ihr erst einmal die Gelder - als "milderes Mittel", weil sie dann ja immer noch um Wählerstimmen werben können, auch wenn die Kandidaten ihre Plakate selbst kleben müssen. Das Parteiverbot, hatte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung gesagt, sei die schärfste Waffe des demokratischen Rechtsstaats. Die Streichung von Staatsgeldern ist noch nicht der Tod einer Partei, wohl aber ein wenig Sterbehilfe; das Schwert des Rechtsstaats ist etwas stumpfer geworden.

Wenn also alles so kommt, wie es die Karlsruher Strategen vorausgedacht haben, dann wird anstelle des "harten" Parteiverbots faktisch nur die weich gespülte Version überleben. Ist die wehrhafte Demokratie damit geschwächt? Das Parteiverbotsverfahren, das hat der Prozess gezeigt, ist so oder so ein äußerst schwergängiges Vehikel. Und wirklich verteidigen lässt sich die Demokratie im Gerichtssaal ohnehin nicht. Das muss in den Parlamenten geschehen, und auf den Straßen und Plätzen.

© SZ vom 13.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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