Nordkorea:Zulasten Pekings

Kim Jong Un merkt offenbar nicht, wann er den Bogen überspannt hat. Jetzt könnte es so weit sein.

Von Christoph Neidhart

Provokationen, Säbelrasseln, dann Einlenken, Verhandlungen und Wirtschaftshilfe - Kim Jong Il, der Vater des jetzigen nordkoreanischen Diktators, verfolgte eine durchaus rationale Politik. Der Kreislauf von Erpressung und Wohlverhalten war eingeübt. Sein Sohn jedoch provoziert auch dann noch, wenn die Schmerzgrenze bereits erreicht ist und Gespräche verabredet sind. Vor allem aber provoziert er sehr direkt China, von dem sein Regime abhängig ist. Das hätte sein Vater unterlassen.

Welcher Logik der junge Kim folgt, ist schwer zu durchschauen. Atomtests und Raketenstarts wird er nicht als Provokationen verstehen, sondern als Abschreckung. Das Regime wähnt sich ständig bedroht. Von innen, weil die Wirtschaft das Volk kaum ernähren kann, von außen durch die USA. Vater Kim hat einst den Ausgleich gesucht, bis die Gespräche am wechselseitigen Misstrauen scheiterten.

Es scheint, der Sohn habe das Spiel von Erpressung und Hilfsbegehren aufgegeben. Er will die Wirtschaft sanieren, ohne die Grenzen zu öffnen. Er zwingt das Volk zur absoluten Loyalität und versucht, sein Land mithilfe der Atomwaffen unantastbar zu machen. Dabei erkennt er offenbar nicht, wie sehr er Chinas Führung einer Zerreißprobe aussetzt. Die hat ihn bisher geduldet. Nun verändert der Diktator die militärische Balance in der Region auch zu Lasten Pekings. Möglich, dass Kim bald den Bogen überspannt.

© SZ vom 08.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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