Asien:Drohungen aus Nordkorea: Schon wieder Pjöngjang

Lesezeit: 2 min

Wieder einmal provoziert das Land mit militärischen Mitteln. Will das Regime einen Krieg auslösen? Sicher nicht. Es will Aufmerksamkeit, vor allem von den USA. Die Schutzmacht China sieht ratlos zu.

Kommentar von Kai Strittmatter

Nordkorea lässt es wieder mal krachen. Die Armee des Landes feuerte am Donnerstag ins Meer, vielleicht waren es ein halbes Dutzend Granaten, vielleicht auch Kurzstreckenraketen. Kurz darauf drohte die Führung des Landes damit, ihre Atomwaffen gefechtsbereit zu machen.

Wonsan
:Südkorea: Nordkorea feuert mehrere Kurzstreckenraketen ab

Nur Stunden zuvor hat der UN-Sicherheitsrat seine Sanktionen gegen Pjöngjang massiv verschärft.

Einer der kalkulierten Wutausbrüche Pjöngjangs - die Reaktion auf die eben beschlossenen Strafmaßnahmen der UN, Sanktionen, die (auf dem Papier zumindest) schärfer sind als alles Bisherige. Und wieder lautet die Frage: Steht hier ein Krieg vor der Tür? Und wieder lautet die Antwort: Nein.

Krieg ist das Letzte, was das Regime will

Nordkoreas Führer malen zwar gern unter Getöse das Bild eines Krieges an die Wand. In Wahrheit aber, da sind sich die Beobachter fast alle einig, ist Krieg das Letzte, was sie wollen. Der nämlich wäre ihr sicheres Ende. Und sie wollen nur eines: das Überleben ihres Regimes.

Ihre Überlebensversicherung sollen die Atomwaffen sein. Und der ersehnte Friedensvertrag mit dem einstigen Kriegsgegner USA. Washington aber denkt nicht daran, Pjöngjang diese Garantie zu geben, ja, die Amerikaner sind so beschäftigt mit sich selbst und mit den Krisen im Rest der Welt, dass sie Nordkorea sehr zum Ärger Pjöngjangs lange Zeit weitgehend ignorierten. Die Provokationen Pjöngjangs dienen vor allem dazu, die Aufmerksamkeit Amerikas und der Welt auf sich zu lenken.

Diese Aufmerksamkeit hatte das Land zuletzt auch wieder bekommen, aber wohl anders, als es sich das vorgestellt hatte: Nach dem vierten Atomtest im Januar und dem Start einer ballistischen Rakete im Februar fühlte sich auch Nordkoreas Nachbar und letzter Verbündeter China so vor den Kopf gestoßen, dass er sich gemeinsam mit den USA auf das nun verabschiedete Paket scharfer Sanktionen einigte. Oder besser: potenziell scharfer Sanktionen. Denn das ist die große Frage: Wie viel davon wird am Ende umgesetzt?

Nordkorea
:Schärfste Sanktionen gegen Nordkorea seit 20 Jahren

Der UN-Sicherheitsrat reagiert damit auf einen Raketenstart und einen Atomwaffentest.

Nun müssen Taten folgen

US-Präsident Barack Obama sah die Weltgemeinschaft endlich "mit einer Stimme" sprechen. Nur müssen Taten folgen. Ein Blick zurück auf die letzten Jahre zeigt, daran haperte es immer wieder. Und das liegt vor allem an China.

Chinas Führern ist zwar die Vorstellung eines atomar bewaffneten Nordkorea ein Gräuel. Allein schon wegen des dann wohl einsetzenden Wettrüstens mit Japan und Südkorea. Andererseits haben sie einen noch größeren Gräuel ausgemacht: den Kollaps des Regimes in Pjöngjang, der Chaos und Bürgerkrieg zur Folge haben könnte und Millionen Flüchtlinge, die nach Nordostchina hereindrängen.

Ohne Chinas Hilfe könnte Nordkoreas Regime nicht überleben. Offenbar aber sieht sich Peking nicht in der Lage, seine Druckmittel so zu dosieren, dass sie das eine erreichen (die Aufgabe des Atomprogramms) ohne das andere (den Kollaps) zu riskieren.

Chinas Unmut über Pjöngjang ist echt

Doch, Chinas Unmut über Pjöngjang ist echt. Und dennoch liegt der Verdacht nahe, dass Peking irgendwann entschieden hat, Atomwaffen in Pjöngjang seien das kleinere Übel. Zumal die Chinesen, ob zu Recht oder zu Unrecht, in der wachsenden Rivalität mit den USA im Südchinesischen Meer im Moment die größere Bedrohung sehen.

Ob dieser Verdacht stimmt, wird sich bald überprüfen lassen. 77 Prozent des nordkoreanischen Außenhandels finden mit China statt. China liefert dem Land Öl, China nimmt ihm Mineralien und Erze ab, die mehr als die Hälfte des Exports ausmachen.

Eine der wichtigsten nun beschlossenen Sanktionen besagt, dass kein Land Nordkorea mehr Kohle, Eisen oder Eisenerz abkaufen darf, wenn die Erlöse dafür in die Rüstung gehen. Erlaubt sein soll nur noch Handel, der dem "Lebensunterhalt" des Volkes zugutekommt.

Das ist ein mächtiger Hebel. Die Entscheidung darüber aber, was das in der Praxis bedeutet, ist ziemlich willkürlich - und am Ende China überlassen. Gut möglich, dass die Genugtuung über die Einigkeit bei den UN bald der Enttäuschung weicht.

© SZ vom 04.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: