Nordkorea:Parteitags-Fieber

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Erster Parteikongress seit 1980: Reporter aus dem Ausland informieren sich bei einer Fernsehübertragung in einem Hotel in Pjöngjang über Kim Jong-uns Rede. (Foto: Ed Jones/AFP)

Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un verspricht einen verantwortlichen Umgang mit Atomwaffen. Südkorea will Anzeichen für einen neuen Atomtest ausgemacht haben.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Nordkoreas Diktator Kim Jong-un hat erneut versucht, sein Regime als verantwortungsvolle Atommacht darzustellen. Nordkorea werde Atomwaffen nur dann einsetzen, wenn seine Souveränität bedroht sei, sagte der 33-Jährige beim ersten Parteikongress der nordkoreanischen Kommunisten seit 1980 in Pjöngjang. Sein Land wolle zur Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen und zur atomaren Abrüstung beitragen und helfen, die Welt stabiler zu machen, so Kim. Er zeigte sich bereit, Nordkoreas Beziehungen zu feindlichen Staaten zu verbessern.

Südkorea wies Kims Rede als substanzlos zurück. Sie enthalte "keine positive Nachricht", so ein Sprecher der Regierung in Seoul. Auf Satellitenbildern von Pyunggye-ri, dem Testgelände Nordkoreas, wurden in den vergangenen Tagen Aktivitäten beobachtet, die Seoul als Vorbereitungen auf einen fünften Atomtest deutet. Die USA, Südkorea und China erkennen Nordkorea nicht als Atommacht an, die UN haben im März wegen der Atom- und Raketentests ihre Wirtschaftssanktionen verschärft und das Land noch weiter isoliert.

In der Wirtschaft setzt das isolierte Land auf "Fortschritt im Tandem"

Mit seinen bisher zwei Parteitagsreden, die das Staatsfernsehen nur zeitverschoben zeigte, bekräftigte Kim seine "Byungjin"-Politik. Das Wort, das auf Deutsch so etwas wie "Fortschritt im Tandem" heißt, steht für die parallele Entwicklung der atomaren Aufrüstung und der Wirtschaft. Kim lobte den Test einer angeblichen Wasserstoffbombe und den Satellitenstart im vergangenen Winter. Sie hätten die "Würde und Macht" Nordkoreas vergrößert und "der ganzen Welt seinen unbesiegbaren Geist" gezeigt, "mit dem es dem bösartigen Druck und den Sanktionen der feindlichen Mächte widersteht". Kim trug zum Parteitag einen westlichen dunklen Anzug mit silberner Krawatte, er wirkte staatsmännischer als bisher.

Für die Wirtschaft bedeutet Byungjin die Weiterführung einer begrenzten Entstaatlichung. In der Landwirtschaft dürfen Bauernfamilien bereits heute selbst entscheiden, was sie anbauen; sie vertreiben ihre Ernte auch selbst. Kleine Schritte in dieser Richtung werden für weitere Wirtschaftszweige erwartet. Weite Teile des Handels hatten sich schon nach dem Zusammenbruch der Versorgung in den 1990er-Jahren spontan privatisiert. Kims Vater Kim Jong-il duldete das aus der Not heraus, versuchte es später einzuschränken, kriminalisierte es - und duldete es erneut. Sein Sohn, der sich anders als der Vater zumindest in seinen Reden um die Wirtschaft kümmert und verbal sogar Verantwortung für sie übernimmt, ist privaten Aktivitäten gegenüber toleranter. Nordkorea-Kenner Andrei Lankow schätzt, der Privatsektor generiere inzwischen 30 bis 50 Prozent der Wirtschaftsleistung. Der private Handel spült allerdings auch ausländische Konsumgüter ins Land, vor allem aus China und Südkorea, und damit implizit politischen Einfluss. Zudem schafft er eine Kluft zwischen Arm und Reich. Vor expliziten Schritten zur wirtschaftlichen Liberalisierung schreckt Kim deshalb zurück. Er redet vielmehr, wie es auf Parteitagen der Sowjetkommunisten üblich war, von der Mechanisierung der Landwirtschaft und höheren Ausbeuten im Kohlebergbau. Und bleibt wenig konkret.

Nordkorea kann sich, anders als China oder einst die Sowjetunion, keine Öffnung seiner Grenzen erlauben, auch nicht ein bisschen: Sie würde einen Massenexodus ins reiche Südkorea auslösen. Das bedeutete das Ende des Regimes. Somit steht Byungjin auch für die Fortdauer der Isolation Nordkoreas und Kims Bemühen, den Alltag der 25 Millionen Koreaner etwas zu erleichtern, die er in dieser Isolation gefangen hält. Mit den Atomwaffen versichert er sich, dass die Isolation bleibt. Sie sind die billigste und potenteste Abschreckung gegen Versuche, sein Regime zu stürzen. Von außen - und auch von innen.

Mit Byungjin knüpft Machthaber Kim außerdem an seinen Großvater an, den er zu kopieren versucht. Kim Il-sung propagierte 1962 als Byungjin die parallele Entwicklung von Armee und Wirtschaft.

© SZ vom 09.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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