Nordkorea:Gezielte Provokation

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Kim, der Schreckliche: Südkoreaner sehen am Bahnhof von Seoul die neuesten Nachrichten aus Nordkorea. (Foto: Ahn Young-Joon/dpa)

Das Regime des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un fordert mit seinem neuerlichen Raketentest auch Südkoreas neuen, moderaten Präsidenten heraus.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Nordkorea hat am Sonntagmorgen erstmals seit der Wahl von Moon Jae-in zum Präsidenten Südkoreas eine Rakete getestet. Damit testete es auch Moon selbst, dem die Konservativen Südkoreas vorwerfen, er sei Nordkorea-freundlich. Moon verurteilte den Raketenstart als "Bedrohung der regionalen Sicherheit" scharf und berief den Nationalen Sicherheitsrat ein. Kim Kwan-jin, der Chef des Nationalen Sicherheitsrats, telefonierte mit seinem US-Kollegen Herbert McMaster.

Die Rakete wurde bei Kusong, 115 Kilometer nördlich der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang gestartet und flog 700 Kilometer weit Richtung Osten, wo sie nach 23 Minuten Flugdauer ins Japanische Meer eintauchte. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Tokio soll sie höher gestiegen sein als frühere Mittelstreckenraketen des Nordens. Zunächst war nicht klar, um welchen Raketentyp es sich handelte. Die Regierung in Tokio prüfe, ob Nordkorea einen neuen Typ getestet habe, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Kyodo. Die Flugbahn sei nicht "im Einklang mit einer Interkontinentalrakete" gewesen, teilten die USA mit.

Moon, der noch keine eigene Regierung nominieren konnte, "bedauerte den Test als rücksichtslose Provokation sehr". Er sagte, ein Dialog mit Nordkorea sei immer noch möglich, "aber wir sollten ihnen zeigen, dass das nur so ist, wenn es seine Haltung ändert". Für den neuen südkoreanischen Präsidenten Moon, der erst vier Tage zuvor die Amtsgeschäfte übernommen hatte, ist der Raketentest eine politische Herausforderung. Während die USA mit der Entsendung eines Flugzeugträgerverbandes den Druck auf Nordkorea erhöhten, hatte Moon den Wunsch geäußert, zur "Sonnenscheinpolitik" der Entspannung mit Nordkorea zurückzukehren. Die nordkoreanische Parteizeitung Rodong Sinmun warf den USA vor, sie würden "den Druck auf uns erhöhen" und "die Lage außer Kontrolle bringen". Nordkorea werde seine "mächtige Selbstverteidigung nicht aufgeben, nicht für die ganze Welt".

Wie die USA und Japan verurteilte auch China "Nordkoreas Verstöße gegen die Resolutionen des Sicherheitsrats", wie das Außenministerium in Peking mitteilte. Es rief "alle Seiten zur Zurückhaltung" auf, damit sich die Lage nicht verschärfe. Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping äußerten sich "besorgt über die zunehmenden Spannungen". Am Freitag hatte der Norden Details über angebliche Terroristen publiziert, die der CIA und Südkoreas Geheimdienst rekrutiert hätten, um Kim Jong-un zu ermorden, ein "dreifach verfluchtes Großverbrechen". Nordkorea sei es gelungen, das Komplott zu zerschlagen. Die Schilderung der angeblichen Attentatspläne erinnert an den Mord an Kim Jong-nam, den Halbbruder des nordkoreanischen Diktators. Unter Kims Vater Kim Jong-il rasselte Pjöngjang jeweils mit den Säbeln, bevor es in Gespräche einwilligte. Optimisten deuten auch die jüngsten Provokationen so. Hardliner dagegen glauben, Kim spekuliere darauf, dass Moon ein nukleares Nordkorea dulde. Das werde zum Bruch zwischen Washington und Seoul führen, ein langjähriges Ziel Pjöngjangs.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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