Nordkorea:Die Kunst des Deals

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Präsident Trump verspricht die völlige nukleare Abrüstung Nordkoreas. Kim Jong-un wird dies wohl nicht erfüllen. Für ihn ist die Bombe auch eine Art Überlebensgarantie.

Von Georg Mascolo

Kein Versprechen haben amerikanische Präsidenten häufiger gebrochen als die Zusicherung, die Welt vor der Verbreitung der gefährlichsten Waffen zu schützen. Ronald Reagan warnte Pakistan vor dem Bau der Atombombe; Bill Clinton drohte Nordkorea gar mit Krieg, wenn das Land sein nukleares Rüstungsprogramm nicht beende. Und George W. Bush garantierte, dass Iran diesem Ziel niemals auch nur nahekommen würde.

Pakistan ist heute ebenso wie Nordkorea Atommacht. Keine Drohungen, sondern harte Verhandlungen beendeten Irans Programm der Urananreicherung. Donald Trump nennt diese Vereinbarung ein "Desaster" und droht, es aufzukündigen. Nun will er zeigen, was ein echter, ein erfolgreicher Atom-Deal ist. Seine Anhänger feiern ihn schon, bevor die Verhandlungen mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un überhaupt richtig begonnen haben. "Nobel, Nobel" skandieren sie, den Friedensnobelpreis für Donald Trump.

Die große Frage lautet: Gibt Kim Jong-un die Bombe als Überlebensgarantie auf?

Es kann einem angesichts der vergangenen Monate schon ein wenig schwindelig werden. Mit Kim und Trump bedrohten sich zwei Oberkommandierende nuklearer Mächte auf beispiellose Art offen und öffentlich. Nun wirken beide, als könnten sie ein beabsichtigtes Gipfeltreffen gar nicht abwarten, um sich als diejenigen, die den oft gar nicht so kalten Krieg auf der koreanischen Halbinsel beenden, ins Geschichtsbuch einzutragen. Auf Kriegsangst folgt Friedenshoffnung.

Über Kims Beweggründe ist wenig bekannt. Er ist ein Diktator, der seine Bevölkerung hungern lässt, in Gulags sperrt und höchstwahrscheinlich den eigenen Halbbruder mit dem chemischen Kampfstoff VX exekutieren ließ. Neuerdings gefällt er sich als Staatsmann, er will oder braucht ökonomischen Aufschwung für sein Land, das halb so viel erwirtschaftet, wie die Amerikaner jährlich für Haustiere ausgeben. Doch dafür ist ein Ende der UN-Sanktionen nötig, denen sich zuletzt auch die Schutzmacht China angeschlossen hat. "Sie wollen einen Trump-Tower und McDonald's", sagt ein südkoreanischer Unterhändler. Kims Großvater und Vater sahen die Bombe als Überlebensgarantie ihrer kommunistischen Erbdiktatur. Gibt Kim der Dritte diese nun auf?

Nordkorea verfügt nicht nur über 20 bis 60 nukleare Sprengköpfe, sondern auch über weitreichende Raketen und ein Arsenal chemischer Waffen. Der japanische Regierungschef Shinzō Abe hat gemahnt, dass dies bei Verhandlungen nicht vergessen werden dürfe. Vergessen werden darf auch nicht, dass Nordkorea begonnen hatte, dem syrischen Regime einen Atomreaktor zu bauen (den die Israelis bei einem Luftangriff zerstörten) - und höchstwahrscheinlich bei der Produktion chemischer Kampfstoffe half, die bis heute gegen die syrische Zivilbevölkerung eingesetzt werden. Nordkoreas Machthaber sind skrupellos. Das Weiße Haus hat erklärt, dass man nur vollständige Abrüstung samt dem Abtransport der industriellen Infrastruktur für die Herstellung dieser Schreckenswaffen gelten lassen will.

Trump steht vor schwierigen Verhandlungen. Er hat die Erwartungen enorm hochgeschraubt und ist ein Mann mit wenig Geduld und noch weniger Verständnis für die Komplexität solcher Gespräche. Was früher nicht gelang, erklärt der Große-Klappe-Präsident einfach damit, dass "schwache Leute" auf US-Seite verhandelt hätten. Viele Diplomaten befürchten, dass auch Trumps Drohung, das von der Obama-Regierung und der EU verhandelte Iran-Abkommen zu kündigen, die Gespräche zusätzlich erschweren wird. Das nämlich wirft die Frage auf, ob die USA langfristig zu ihren Versprechen stehen.

Kim wird sich wohl vorsichtig vortasten, er will sich jedes kleine Zugeständnis belohnen lassen. Wer nur eine Karte in der Hand hält, spielt sie nicht vorschnell aus. Da Nordkorea in der Vergangenheit gegebene Zusagen zur Abrüstung stets brach, bedarf es für die Zukunft der Verabredung verlässlicher Überprüfungen.

Vermutlich ist eine komplette Aufgabe der Waffenprogramme nicht zu erreichen, schon gar nicht kurzfristig. Nur vier Staaten haben seit dem Beginn des Nuklearzeitalters auf die Bombe verzichtet, drei davon gingen aus der zerfallenden Sowjetunion hervor. Aber wenn das nordkoreanische Arsenal zumindest auf dem jetzigen Stand eingefroren, keine neuen Bomben mehr gebaut und getestet würden, keine Raketen mehr Japan überfliegen und Länder wie Syrien nicht mehr unterstützt würden, wäre dies ein Erfolg.

Schon dies wird diplomatisches Geschick und Berechenbarkeit erfordern - Disziplinen, in denen sich Trump bisher nicht hervorgetan hat. Und mit einem Einfrieren des nordkoreanischen Arsenals ginge es dem US-Präsidenten wie vielen seiner Vorgänger: Er hätte mehr versprochen, als er halten kann. Niemand weiß, wie er darauf reagieren würde. Bricht der Konflikt in neuer, alter Tweet-Schärfe aus? Oder deutet der selbsternannte größte Deal-Maker aller Zeiten schon einen Teilerfolg zum großen Triumph um? Diesen Triumph könnte man ihm gönnen.

© SZ vom 07.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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