Nordkorea:Annäherung auf Pjöngjangs Art

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Ein vom Regime verbreitetes Bild aus dem Prozess gegen den US-Studenten. (Foto: AFP)

Nordkorea will aus der Inhaftierung eines US-Studenten Kapital schlagen - es sucht die Kommunikation mit Washington.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Nordkorea hat den 20-jährigen Amerikaner Otto Frederick Warmbier für einen dummen Jungenstreich zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt. Er ist kein Einzelfall. Vor ihm hat das isolierte Regime in den vergangenen Jahren mindestens zwölf andere Amerikaner zu langen Haftstrafen verdonnert, um sie dann gleichsam als Geiseln freizulassen; meist nach etwa einem Jahr, nachdem ein hochrangiger US-Politiker in Pjöngjang für sie den Kotau machte.

In solcher Mission sind die Ex-Präsidenten Bill Clinton, Jimmy Carter und der damalige Gouverneur von New Mexico, Bill Richardson, schon nach Pjöngjang geflogen. Mit ihrer Aufwartung beim Regime kauften sie US-Gefangene frei, von denen einige illegal über die Grenze zu China nach Nordkorea eingedrungen waren. Offiziell waren die US-Spitzenpolitiker als Privatleute nach Nordkorea geflogen, aber das Regime nutzte ihre Besuche für seine Propaganda. Und sicherlich wurden auch offizielle Botschaften ausgetauscht.

Nordkorea hat sich in den vergangenen Monaten mit seinem atomaren Säbelrasseln und den Raketenstarts noch mehr isoliert als bisher, sogar Peking hat sich deutlich von Kim distanziert. Wie die Aktivistengruppe DailyNK von Nordkoreanern in China weiß, hält man Kims Kriegsdrohungen selbst im Inneren des Landes für hohl.

Da scheint es plausibel zu sein, dass der junge Diktator mit seiner harschen Verurteilung des Studenten einen Ausweg sucht - als wollte er im Vorfeld des ersten Parteitags seit 1980 einen neuen informellen Kommunikationskanal nach Washington öffnen. Zumal das Regime im Januar mit einem offiziellen Angebot für Friedensgespräche in den USA abgeblitzt sei, wie das US-Außenministerium bekannt gab. Nordkorea habe nicht a priori auf sein Atomwaffenarsenal verzichten wollen, das war eine Vorbedingung der USA. Außerdem meinen die Nordkorea-Experten, das Regime in Pjöngjang halte US-Präsidenten in ihrem letzten Jahr für kompromissbereiter.

Andrerseits scheint Washington keine Geduld mehr mit Kim zu haben, Präsident Barack Obama will nicht in die alte Falle tappen, um dann von Nordkorea vorgeführt zu werden. Und sollen die USA ihre harte Linie gegenüber dem Regime lockern, nur weil ein Rucksack-Tourist in einem Hotel ein Propaganda-Banner gestohlen hat, was das Gericht in Pjöngjang als "feindlichen Akt gegen Nordkorea unter der Führung der amerikanischen Regierung" wertete?

Auf der andern Seite hält sich auch Nordkorea nicht mehr ans bewährte Drehbuch von Erpressungen durch Provokationen mit nachfolgendem Wohlverhalten, das mit Hilfsgütern belohnt wird. Es gibt Anzeichen, dass der Norden das aufgegeben habe. Der Japaner Jiro Ishimaru, der im Innern von Nordkorea einige Untergrundjournalisten beschäftigt, berichtet, die Grenzkontrollen nach China seien jüngst noch einmal verschärft worden, die freien Märkte dagegen gehörten inzwischen zum Alltag aller. Nur: wenn Kim sich noch mehr einigeln wollte, bräuchte er keine amerikanische Geisel.

© SZ vom 18.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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