Niedersachsen:Wenn aus Sturheit Torheit wird

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Die FDP verweigert sich in Niedersachsen Verhandlungen über eine Ampel-Koalition - Parteichef Christian Lindner setzt auf Bündnisse mit der CDU, nicht mit der SPD. Doch damit missachten die Liberalen den Wählerwillen und schaden dem Land.

Von Peter Burghardt

Niedersachsen sucht eine Regierung - welche es sein wird, ist auch nach der dramatischen Landtagswahl am Sonntag nicht beantwortet. Und die Suche nach einer Mehrheit im neuen Landtag dürfte noch komplizierter werden als in Berlin. Rechnerisch gibt es drei Möglichkeiten; sie heißen Ampel, Jamaika und große Koalition. Alle drei sind kompliziert. Vernünftig wäre unter diesen Umständen nur eine Variante: die Ampel aus SPD, Grünen und FDP, angeführt vom SPD-Ministerpräsidenten und Wahlsieger Stephan Weil.

Die Liberalen allerdings wollen von diese Lösung aus taktischen und egoistischen Gründen gar nichts wissen. Das ist ein Fehler. Die präventive Ablehnung von Rot-Grün mag zwar größeren Teilen der gelben Klientel gefallen. Sie würde aber diesem Bundesland schaden und darüber hinaus der deutschen Demokratie. Die FDP täte gut daran, ihre Sturheit trotz ihres aktuellen Überschwangs zu lockern und Gespräche wenigstens zu wagen, bevor aus der Sturheit Torheit wird.

Denn diese Wahl geht als politisches Lehrstück durch. Sie beweist, was beherzter Wahlkampf erreichen kann: Amtsinhaber Weil und die niedersächsische SPD haben sich diesen Erfolg erkämpft, obwohl sie in den Umfragen zunächst himmelweit zurückgelegen hatten. Weil sollte nach dem Willen der Wähler Regierungschef bleiben. Die Wahl zeigt auch, was ein streitbarer Wahlkampf bewirken kann: Anders als bei der zahmen Bundestagswahl traten die Spitzenkandidaten aus SPD und CDU sehr klar gegeneinander an.

Das Duell Weil gegen Althusmann schärfte anders als der Paartanz Merkel-Schulz das Profil der großen Parteien und schwächte die Ränder. Das ist einer der Gründe dafür, weshalb die AfD nur knapp in diesen Landtag einzieht und die Linke draußen bleibt. Das Wahlergebnis illustriert allerdings auch, dass ein Lagerwahlkampf Grenzen hat: Die Wähler wollen nach der Wahl offenbar keine Alleingänge, sondern ein Bündnis, diesmal ein Dreierbündnis, denn es reicht ja weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb. Es widerspricht dem Wahlausgang, wenn die FDP die Option Ampel vorbeugend zerschießt.

Es wäre ein Treppenwitz, wenn sich stattdessen die niedersächsischen Erzrivalen SPD und CDU zusammentun müssten. Sie würden in Hannover 105 der 137 Sitze besetzen - ihre Übermacht würde die Linke stärken und besonders die AfD. CDU und SPD würden ihren Wahlkampf ad absurdum führen. Im Bund löst sich die große Koalition zu Recht auf, diese lähmende Kombination hat ausgedient.

Jamaika scheint dagegen in Mode zu kommen. In Berlin verhandeln CDU, FDP und Grüne, in Kiel regieren sie bereits. Aber in Schleswig-Holstein hatte Daniel Günther aus der CDU mit ähnlichem Verve triumphiert wie nun der niedersächsische SPD-Weil. Es war deshalb logisch, dass er dort Ministerpräsident wurde, das ging sinnvollerweise nur mit Jamaika. In Niedersachsen dagegen wäre Jamaika bizarr. Dann würde der CDU-Wahlverlierer Althusmann gewinnen, unterstützt von Grünen und FDP, die ebenfalls Stimmen verloren haben. 2013 hatte zwar auch Weil den Sieg verpasst, doch SPD und Grüne gewannen damals viele Stimmen hinzu und stellten gemeinsam eine knappe Mehrheit.

Also die Ampel? Die gibt es nur, wenn die FDP ihren Solotrip doch noch aufgibt. Das wird schwierig, weil Christian Lindner derzeit Jamaika mag und Rot-Grün nicht helfen will. Umwelt, Tierwohl, Energiewende, Bildung, Sicherheit, Flüchtlinge - diese Themen würden gerade im Agrarland Niedersachsen umstritten bleiben zwischen den Ampel-Partnern. Es wäre trotzdem ein fauler Kompromiss, wenn eine große Koalition übrig bliebe oder ein Bündnis dreier Verlierer. Die FDP sollte nicht nur an sich selbst denken. Sondern ans ganze Land.

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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