Niederlande:Wegen Anstiftung zum Hass

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Nach Ansicht von Beobachtern hat der islamophobe Chef der Freiheitspartei, hier 2015 in Utrecht, das Verfahren bewusst provoziert. (Foto: Peter Dejong/AP)

Die Staatsanwaltschaft fordert eine Geldstrafe von 5000 Euro für den Populisten Geert Wilders. Der boykottiert den Prozess, indem er fernbleibt.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Im Prozess gegen den niederländischen Politiker Geert Wilders hat die Staatsanwaltschaft am Donnerstag eine relativ hohe Geldstrafe von 5000 Euro gefordert. Der Populist habe die Marokkaner in den Niederlanden bewusst beleidigt, diskriminiert und Hass gegen sie geschürt, sagte Staatsanwalt Wouter Bos. Das Gericht sollte deshalb ein klares Zeichen setzen, dass Kommentare wie die von Wilders nicht zu den Niederlanden gehörten.

Der Gründer und Chef der Freiheitspartei (PVV) hatte nach den Kommunalwahlen 2014 Anhänger bei einem Auftritt in Den Haag zunächst gefragt, ob sie weniger oder mehr Europa und weniger oder mehr Sozialdemokraten wollten. Dann folgte: "Wollt ihr weniger oder mehr Marokkaner" in den Niederlanden? Auf alle Fragen brüllte die Menge "weniger, weniger". Wilders antwortete am Ende mit dem Satz: "Dann werden wir das regeln." Daraufhin waren mehr als 6400 Strafanzeigen erstattet worden.

Weil Wilders viele Todesdrohungen erhält, findet der Prozess in einem besonders gesicherten Gebäude in der Nähe des Flughafens Schiphol außerhalb von Amsterdam statt. Das wäre nicht nötig gewesen, da Wilders kurz vor Verhandlungsbeginn Ende Oktober mitteilte, dass er nicht erscheinen wolle. Er hält den Prozess für politisch motiviert und lässt sich von seinem Anwalt Geert-Jan Knoops vertreten. Er selbst begleitet das Verfahren aber intensiv über Twitter; es dient ihm als Bühne, um seine Botschaften zu verkünden und vor der Parlamentswahl im März Punkte zu sammeln. Am Donnerstag twitterte Wilders, es sei "Wahnsinn", ihn dafür bestrafen zu wollen, dass er "eines der größten Probleme des Landes" angesprochen habe. Er werde sich nicht zum Schweigen bringen lassen. Knoops hatte im Verfahren erklärt, sein Mandant habe 2014 nichts Neues gesagt, sondern im Wesentlichen das Programm der PVV verkündet. Wilders behauptet, er habe nicht alle marokkanischen Einwanderer gemeint, sondern nur die Kriminellen unter ihnen.

Die Anwälte der Kläger argumentierten, durch Wilders' Rede habe sich das gesellschaftliche Klima stark verschlechtert, zumal er seine Aussagen in anderer Form wiederholt habe. Menschen marokkanischer Abstammung müssten seitdem verstärkt um ihre Zukunft fürchten.

Die Höhe der geforderten Strafe ist ein Zeichen: Nicht gerade das Maximum, aber doch relativ hoch

Laut Anklage hat der islamophobe Politiker den Prozess provoziert. Aus Zeugenaussagen gehe hervor, dass der Haager Auftritt geplant gewesen sei. Mitarbeiter hätten das Publikum vorher instruiert. In einem ähnlichen Verfahren wurde Wilders 2011 freigesprochen. Damals hatte man ihm vorgeworfen, den Islam zu verunglimpfen. Unter anderem hatte er den Koran mit Hitlers "Mein Kampf" verglichen. Das Gericht urteilte, gerade Politiker müssten in den Genuss einer sehr breit ausgelegten Meinungsfreiheit kommen, um ihre politischen Ideen äußern zu können, auch wenn sie noch so abstoßend seien.

Der Ansicht war 2011 auch die Staatsanwaltschaft; sie weigerte sich, gegen Wilders vorzugehen. Diesmal ist das anders. Nach Meinung der Anklage hat er zum Hass gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen aufgerufen und damit eindeutig gegen Normen verstoßen. In ihrem Plädoyer hieß es, die Meinungsfreiheit werde eingeschränkt durch das Verbot von Diskriminierung und Rassismus, wie es in Gesetzen, internationalen Konventionen und der Rechtsprechung etwa des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festgehalten sei. Auch Politikern seien Grenzen gesetzt. "Politiker zu sein ist kein mildernder Umstand." Die Höhe der geforderten Strafe ist ein Zeichen: 8200 Euro wären laut Experten das Maximum, üblich in solchen Fällen sind unter 1000 Euro.

In einem vergleichbaren Fall wurde in Deutschland Pegida-Gründer Lutz Bachmann, der Migranten als "Dreckspack" beleidigt hatte, im Mai der Volksverhetzung schuldig gesprochen und zu einer Strafe von 9600 Euro verurteilt, gegen die noch eine Berufung läuft. In den Niederlanden gibt es allerdings viel Sympathie für die Auffassung, Hassreden extremistischer Politiker solle man besser überhaupt nicht mit juristischen Mitteln bekämpfen. Am Ende profitiere immer nur der Beschuldigte, wie der erste Prozess gegen Wilders bewiesen habe. "Wenn die Sache irgendeine Wirkung hat, dann höchstens eine positive für Wilders", sagt der Meinungsforscher Maurice de Hond.

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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