Niederlande:"Einer von uns"

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Geert Wilders feiert Trump als Befreier von der verhassten Elite. Ob der Rechtspopulist nun aber auf einen zusätzlichen Schub hoffen kann, ist offen: Das politische System erzwingt Koalitionen - und mit Wilders' Freiheitspartei will niemand zusammengehen.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

In vier Monaten steht die Parlamentswahl in den Niederlanden an. Wie wird sich das amerikanische Ergebnis auswirken? Gibt es dem Rechtspopulisten Geert Wilders, dessen Freiheitspartei (PVV) monatelang die Umfragen angeführt hat, nun einen zusätzlichen Schub? Er selbst glaubt fest daran. "Was die USA können, können wir auch", sagte er am Mittwoch. Donald Trump sei "einer von uns". Die Amerikaner hätten sich "befreit von einer politischen Elite, die sie nicht vertritt". Als ein solcher "Befreier" sieht er sich ebenfalls, denn er glaubt zu wissen, was die Menschen in Wirklichkeit wünschen: ganz viel direkte Demokratie, keine EU, keinen Freihandel, keine muslimischen Einwanderer, und vor allem: keine "linke Elite", die den Menschen mutmaßlich vorschreibt, wie sie sich politisch und moralisch "korrekt" zu verhalten haben.

Wilders hat Trump von Beginn an vorbehaltlos unterstützt. Der Politikstil des amerikanerischen Milliardärs, die Großspurigkeit, der unverblümte, schamlose Nationalismus, die Neigung, es im Interesse der kernigen Botschaft mit den Fakten nicht so genau zu nehmen, die rhetorische Cleverness und nicht zuletzt die Fähigkeit, exakt zu spüren, was die Bürger in ihrem Innersten beschäftigt und womit ihre Sorgen gegebenenfalls angesprochen oder verstärkt werden können - all dies muss ihm (neben der Frisur) gefallen an Trump, denn damit feiert er selbst seit Jahren Erfolge. "Make the Netherlands great again", twitterte er denn auch folgerichtig.

Ist eine ähnliche Sensation in den Niederlanden möglich? Ja und nein. Es kann sein, dass die Populisten einen Schub erhalten, der buchstäblich sichtbar wird. Viele PVV-Wähler, das ist aus Untersuchungen bekannt, bekennen sich aus Angst vor privaten oder beruflichen Folgen nicht zu ihrer Einstellung. Das könnte sich ändern und hätte Folgen für die politische Diskussion insgesamt.

Andererseits erzwingt das politische System des Landes Koalitionsregierungen. Und alle anderen Parteien, mit Ausnahme der Rechtsliberalen von Premier Mark Rutte, die ein kleines Türchen offen lassen, schließen ein Bündnis mit Wilders aus. Spätestens seit seiner "Weniger-weniger"-Tirade gegen marokkanische Einwanderer, derentwegen gerade ein Prozess gegen ihn läuft, ist er als Partner unmöglich. Selbst wenn die PVV stärkste Kraft würde, wird es keinen Premier Wilders geben. In den jüngsten Umfragen ist die Partei ohnehin auf Platz zwei gerutscht.

Der Konkurrenz bleibt die Hoffnung, die alle Mitteparteien in Europa eint: dass der Ausgang der US-Wahl ein Warnschuss sein möge, der Liberale aus der Lethargie reißt und die Mehrheit der Wahlbürger weg von den Extremen lockt. "Das kann ein Weckruf sein", sagt Alexander Pechtold von der linksliberalen D66. Er sei nun "besonders motiviert", dafür zu sorgen, dass "Angst und Uneinigkeit" keine Chance in den Niederlanden erhielten.

Übrigens gibt es neben Wilders noch jemanden, der seine Freude über Trumps Triumph kundtat: Emil Roemer, Spitzenmann der Sozialistischen Partei, zeigte sich überzeugt, dass nun die gegen das "Establishment" gerichteten Kräfte in den Niederlanden Aufwind erhielten: "Die Menschen wollen ihre Macht zurück", sagte er, "und wir müssen dafür sorgen, dass dies passiert."

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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