Niederlande:Demütig und einsichtig

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Der Skandal um eine geheime Vereinbarung des Staates mit einem Schwerkriminellen hat schon drei wichtige Politiker aus der liberalen Partei von Mark Rutte das Amt gekostet. Der niederländische Ministerpräsident übersteht den Justiz-Skandal knapp.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Diesmal hätte es knapp werden können für die niederländische Regierung. Der Skandal um den "Teeven-Deal", eine geheime Vereinbarung des Staates mit einem Schwerkriminellen, hat schon drei wichtige Politiker aus der liberalen Partei von Mark Rutte das Amt gekostet. Und nun wollte die Opposition auch dem Ministerpräsidenten selbst ans Leder. Doch dann fehlte am Mittwochabend das politische Momentum. Ein Missbilligungsantrag scheiterte an der Regierungsmehrheit, Rutte bleibt trotz ein paar blauer Flecken vorerst im Amt - nicht zuletzt weil er schlau genug war, sich gegenüber den Kollegen demütig und einsichtig zu zeigen.

Tatsächlich gab es allerlei Gründe für Rutte, seinen Justizminister Ard van der Steur und dessen Stellvertreter Klaas Dijkhoff sich zu entschuldigen - müssen sie doch Vorgänge erklären, die eines mitteleuropäischen Rechtsstaates unwürdig sind. 2001 hatte der damalige Staatsanwalt und spätere Staatssekretär Fred Teeven einen Deal mit dem gefassten Drogenhändler Cees Helman geschlossen. Der hatte ein Millionenvermögen ergaunert, das 1993 beschlagnahmt wurde, dessen illegale Herkunft die Ermittler aber nicht nachweisen konnten. Helman sollte dem Staat ein Drittel abgeben, dafür würde ihm der Rest geschenkt, genauer: über Bankkonten in Luxemburg überwiesen, und zwar ohne Wissen des Finanzamts.

Rutte schaute dem Skandal lange zu, als ginge er ihn nichts an

Nachdem ein Fernsehmagazin die Vereinbarung 2014 aufgedeckt hatte, bestritt Opstelten zunächst, davon gewusst zu haben. Später musste er das zurücknehmen. Sogar eine elektronische Quittung tauchte auf und machte deutlich, dass Helman umgerechnet 2,2 Millionen Euro erhielt, weit mehr, als Opstelten eingeräumt hatte. Der Minister und der inzwischen zum Staatssekretär aufgestiegene Teeven mussten im März gehen. Und auch Parlamentspräsidentin Anoushka van Miltenburg trat am Wochenende zurück, weil sie Hinweise eines Whistleblowers schlicht in den Papier-Shredder geworfen hatte. Alle drei gehören Ruttes liberaler Partei an.

Der Ministerpräsident hat dem Skandal bisher zugeschaut, als ginge er ihn kaum etwas an. Selbst als kürzlich eine unabhängige Kommission die dubiose Rolle von Politik und Justiz dokumentierte, sagte er provokant, vielleicht habe es sich ja um einen guten Deal gehandelt. Vor dem Parlament, aus dessen Reihen beißende Kritik geäußert wurde, ging er nun auf die Knie, sprach von der "bei Weitem schwierigsten Debatte" in seiner Karriere, nannte sein bisheriges Auftreten eine "unglaubliche Dummheit" und gestand Fehler ein. Er hätte sich früher in die Affäre einmischen müssen, doch er habe daraus gelernt.

Die Opposition wollte das nicht glauben. "Der Ministerpräsident hat sich vielleicht entschuldigt, doch unsere Zweifel sind nicht verschwunden", sagte Gert-Jan Segers von der Christlichen Union. Rutte steht jetzt unter scharfer Beobachtung, einen weiteren Fehltritt kann er sich nicht erlauben.

© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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