Neuankömmlinge:Schneller, klarer, strenger

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Der Zustrom wird nicht gestoppt werden, aber der Asylbeschluss wird das Leben vieler Flüchtlinge in Deutschland verändern. Kann man in drei Wochen über ein Schicksal entscheiden?

Von Roland Preuss

Selbstverständlich bleibt die Asylpolitik auch nach dem Koalitionskompromiss umstritten. Linksparteichef Bernd Riexinger glaubt, es solle nun "auf Teufel komm raus" abgeschoben werden, CSU-Chef Horst Seehofer dagegen jubelt über die angeblich "schärfsten Regeln, die es jemals in unserem Lande gab". Immerhin weiß er bei dem Paket die SPD an seiner Seite, die sich verhalten freut, dass es bald schnellere Asylverfahren geben könnte. Gut fünf Seiten ist der Beschluss lang. Was ist von den Plänen zu erwarten? Die wichtigsten Antworten im Überblick.

Wer muss in die beschlossenen Registrierungszentren?

Viele Flüchtlinge sollen nur noch in diesen Großunterkünften ihren Asylantrag stellen und dort wohnen dürfen. Dort will man die Menschen sammeln, die Deutschland voraussichtlich wieder verlassen müssen, weil ihre Chancen auf ein Bleiberecht mangels Asylgrund gering sind. Dies umfasst Menschen aus zu sicheren Herkunftsstaaten erklärten Ländern des Westbalkans (Serbien, Albanien, Kosovo und andere), Migranten, die nach einer Ablehnung erneut einen Asylantrag stellen, Menschen, die wieder ins Land kommen, obwohl sie mit einer sogenannten Wiedereinreisesperre belegt sind, etwa, weil sie abgeschoben wurden sowie Flüchtlinge "ohne Mitwirkungsbereitschaft". Darunter versteht man etwa Menschen, die bewusst ihre Ausweise vernichten oder nichts über ihr Herkunftsland sagen wollen. Genau definiert wird das allerdings nicht.

Eine Familie aus Kosovo wartet im oberbayerischen Manching darauf, wie es weitergeht. (Foto: imago/epd)

Wie soll dort mit den Flüchtlingen verfahren werden?

Die Regeln in den Registrierungszentren sind strenger als für andere Asylbewerber. Für sie wird die erst Ende 2014 weitgehend abgeschaffte Residenzpflicht wieder eingeführt, das heißt, die Menschen dürfen die Gegend, in der Regel ihren Landkreis, nicht verlassen. Wer es doch tut, dem werden Sozialleistungen gestrichen. Bei einem weiteren Verstoß soll der Asylantrag erlöschen und der Flüchtling sofort ausgewiesen werden. Damit wollen Union und SPD erreichen, dass die Menschen auch ohne Zäune in die Registrierungszentren kommen und bleiben - allerdings nicht lange. Denn sie sollen ein beschleunigtes Asylverfahren durchlaufen, der Antrag soll binnen einer Woche entschieden, eine mögliche Klage innerhalb von zwei Wochen erledigt sein. Dafür sollen alle zuständigen Prüfer, Richter sowie die Polizei in den Zentren angesiedelt sein. Dadurch lassen sich die üblichen Wege deutlich verkürzen. Wer durchwegs scheitert, soll noch aus dem Zentrum heraus abgeschoben werden können.

Wie viele Flüchtlinge müssten in die Registrierungszentren?

Das lässt sich schwer beziffern. Voraussichtlich handelt es sich um Zehntausende. Allein in diesem Jahr kamen bis Ende Oktober laut dem Erstregistrierungssystem "Easy" etwa 100 000 Menschen aus den als sicher eingestuften Herkunftsländern Albanien und Kosovo, allerdings ist ihre Zahl zuletzt stark zurückgegangen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte kürzlich, sie hätten inzwischen nur noch einen Anteil von zwei Prozent. Fast 31 000 stellten zudem von Januar bis Ende Oktober einen Folgeantrag auf Asyl, auch sie müssten in die Zentren.

Soll es mehr Abschiebungen geben?

Ganz klar ja. Zum einen sollen abgelehnte Bewerber in den Registrierungszentren leichter greifbar sein. Das ist allerdings eine sehr optimistische Sicht, denn die Zentren sind ja bewusst keine Haftanstalten, die Menschen können also jederzeit raus und untertauchen. Zum anderen soll es "Rahmenbedingungen für die Erstellung ärztlicher Atteste" geben. Dahinter steht die Erfahrung, dass Abschiebungen immer wieder durch Atteste erfolgreich verhindert oder verzögert werden. Der Satz in dem Beschluss ist schwammig, denkbar wäre eine Pflicht, einen Amtsarzt zu besuchen. Darüber hinaus sollen die Behörden häufiger nach Afghanistan abschieben.

Ist Afghanistan sicher genug, um dort Leute hinzuschicken?

Nach dem Urteil vieler Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen nein. Nicht zufällig gab es bisher faktisch keine Abschiebungen in das Land. Die Lage ist in den vergangenen Wochen sogar noch schlechter geworden: Ende September fiel das lange von der Bundeswehr geschützte Kundus vorübergehend an die Taliban, selbst BND-Präsident Gerhard Schindler sprach diese Woche davon, Afghanistan stehe "vor einer Abwärtsspirale." Die politische Lage "stagniert, die Wirtschaftslage kippt, und die Taliban rücken vor", sagte er.

Kann das alles so funktionieren? Das hängt vor allem von zwei Punkten ab: ob es neue Stellen gibt, und ob das rechtlich so möglich ist. Schon jetzt türmt sich ein Berg von gut 300 000 unerledigten Asylverfahren, Tausende neue Beamte sollen diesen Berg abtragen. Doch sie müssen erst eingestellt und eingearbeitet werden. Auch die Verwaltungsgerichte stöhnen längst über die vielen Asylklagen, Bayern hat deshalb 16 neue Richterstellen angekündigt, Nordrhein-Westfalen 22. Das wirkt angesichts der Zahlen rührend. Zudem gibt es rechtliche Bedenken. Pro Asyl spricht von einem rechtsstaatlich fragwürdigen "Eilverfahren". Beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration sieht man das anders. "Das ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar", sagt dessen Vorsitzende Christine Langenfeld. Sie befürwortet Sanktionen. "Wer Schutz sucht, wird im Asylverfahren auch mitwirken." Problematisch sei aber der Punkt, dass Menschen nach einem zweimaligen Verstoß gegen die Residenzpflicht sofort ausgewiesen werden sollen. "Ohne Rechtsbehelf wird es schwierig an der Stelle." Man kehre an einigen Stellen "nur zur alten Rechtslage zurück, etwa bei der Residenzpflicht", sagt der Juraprofessor Daniel Thym von der Universität Konstanz. "Auch die Beschränkung von Sozialleistungen ist unproblematisch, weil die Leistung nicht entfällt, sondern nur an einem Ort erbracht wird - in den Zentren."

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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