Nepal:Ein Land am Seil

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Das Land braucht nach dem Beben Bergsteiger, abgeschreckte Besucher sollen möglichst bald wieder Vertrauen gewinnen. Versicherer aber machen Expeditionen teuer. Ein Dilemma.

Von Arne Perras

Für viele Bergsteiger gab es lange Zeit kein schöneres Ziel als Nepal. Doch dann bebte im Himalaja zweimal schwer die Erde. Und jetzt ist nichts mehr, wie es einmal war. Die Erdstöße im April und Mai haben fast 9000 Menschen getötet, Dörfer und Städte zerstört und fast drei Millionen Bergbewohner obdachlos gemacht. Und sie haben auch das Vertrauen der Touristen nachhaltig erschüttert. Die Regierung ist entschlossen, dies bald zu ändern. Abgeschreckte Besucher sollen möglichst bald wieder Vertrauen gewinnen.

Aber wie? Kathmandu setzt jetzt auf die Hilfe von Geologen. Die Regierung will im Sommer internationale Experten einladen, um die beliebtesten Trekking-Routen, vor allem im Gebiet um Everest und Annapurna, auf ihre Sicherheit zu überprüfen. "Nach dem Beben erscheint es uns notwendig, diese Studien durchzuführen, um zu bescheinigen, dass die Routen wieder sicher sind", erklärt Tulsi Prasad Gautam, der Leiter der Tourismusbehörde. Es klingt, als wolle er eine Art TÜV für Trekkingtouren einführen: sicheres Wandern in Nepal. Aber kann es das wirklich geben?

Die Pläne fallen in eine Zeit, da erneut Schreckensmeldungen aus Nepal kommen. Erdrutsche haben in dieser Woche mehrere Dörfer unter sich begraben, am Freitag wurden bereits mehr als 5o Tote gemeldet. Es hat heftig geregnet. Und der Geomorphologe Christoff Andermann vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam erklärt, warum dies so gefährlich ist: "Wasser, das in Spalten eindringt, wirkt wie ein Schmiermittel." Der Regen kann so nicht nur ein Abrutschen der oberen Erdschichten auslösen, sondern auch verursachen, dass ganze Felsen in die Tiefe stürzen. Erdbeben, bei denen sich besonders viele Risse und Lücken bilden, verschärfen die Gefahren, obgleich es im Himalaja auch sonst in der Regenzeit häufig zu Erdrutschen kommt. In jedem Fall wächst mit dem Monsunregen wieder die Angst.

Auch bei der Erdbebengefahr gibt es keinen Grund zur Entwarnung, wie der Seismologe Frederik Tilmann vom GFZ bestätigt. "Zwar haben die Beben Spannungen abgebaut, aber doch bei Weitem nicht genug." Die Risiken sind in der Region immer noch groß, besonders westlich von Kathmandu. "Aber wir können nicht vorhersagen, wann das nächste große Beben kommt." So ist es nicht verwunderlich, dass der Tourismus heftig eingebrochen ist und sich eine rasche Erholung kaum abzeichnet. 80 Prozent der Hotelbuchungen nach dem Erdbeben wurden storniert. Langfristig sorgt sich Kathmandu außerdem darum, dass auch die Kosten für Touren in die Höhe schießen, weil die Versicherungsprämien steigen.

Die Tourismusbehörde von Nepal beklagt, dass dieser Trend schon begonnen habe. Was das Expeditionsgeschäft am Mount Everest betrifft, so treiben Nepal noch ganz andere Sorgen um. Denn nach den Lawinenunglücken im Jahr 2014 und dem Chaos nach dem Beben 2015 suchen Bergsteiger nach Alternativen. Manche Touristen lockt nun die kältere Nordroute von Tibet aus, solange Nepal in der Krise steckt.

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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