Naturschutz:Raum für die Elbe

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In Sachsen-Anhalt darf der Fluss eine riesige Auenlandschaft zurückerobern. Für 33 Millionen Euro wurde ein neuer Deich gebaut, der alte kann nun abgetragen werden.

Von Michael Bauchmüller, Lödderitz

Die Festscheune in Lödderitz hat viel mitgemacht in den vergangenen Jahren. Bürgerversammlungen, bei denen sich die Lödderitzer gegen den neuen Elb-Deich wehrten. Und ein Hochwasser, als 2013 ein Deich an der nahen Saale brach. Noch heute sieht man die Spuren, mehr als brusthoch stand das Wasser. Es war das Hochwasser, das alles veränderte.

Der Freitag ist wieder ein besonderer Tag in der Festscheune. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ist da und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). "Das ist heute ein bedeutender Tag für den Naturschutz in Deutschland", sagt Hendricks. "Für den Naturschutz an der Elbe vielleicht der bedeutendste." Kurz zuvor noch hatte sie mit einem Bagger Erdreich aus dem alten Deich geholt. Er wird von jetzt an "geschlitzt": Ein neuer Deich ersetzt ihn, weiter hinten im Land. Nie zuvor wurde in Deutschland per Deichverlegung so viel Auenwald an einen Fluss zurückgegeben. 33 Millionen Euro hat das gekostet, 17 Jahre lief das Projekt.

Die Gegend ist bekannt für ihren Artenreichtum, schon zu DDR-Zeiten stand sie unter Schutz. Als der Biber nahezu ausgerottet war, war der Lödderitzer Forst eines seiner letzten Refugien. Doch der alte Deich schnitt große Teile der Aue von der Elbe ab. "Auenwald braucht Überflutung, er braucht Wasser", sagt Christoph Heinrich von der Umweltstiftung WWF. Sie hat zusammen mit Bund und Land das Projekt realisiert. Beim nächsten Elbe-Hochwasser kann das Wasser sich ausbreiten, bis heran an den neuen Deich. Dadurch dürfte der Pegel bei der nächsten Flut in der Gegend 28 Zentimeter weniger hoch steigen. "Klingt wenig", sagt Heinrich, "macht aber bei einem Hochwasser einen echten Unterschied." Weil sich das Wasser verteilen kann, wird die Elbe insgesamt langsamer. Das macht die Flut auch für Dörfer stromabwärts weniger heftig.

Dennoch bildete sich auch in Lödderitz erst mal eine "Bürgerinitiative für den alten Elbdeich". Denn wenn die Elbe näher ans Dorf kommt, dann drohen nasse Keller. "Letztlich ist das wie bei jedem großen Infrastrukturprojekt", sagt Astrid Eichhorn, die das Projekt managte. "Je näher die Leute wohnen, desto größer ist der Widerstand."

Schon gibt es eine neue Initiative, im benachbarten Aken. Dort wollen Bürger, die einst gegen die Rückverlegung des Deiches kämpften, den neuen Deich nun sogar fortführen. Noch ein bisschen mehr Aue dürfte sich die Elbe dann erobern - der neue Deich ist nämlich auch höher als der alte. Gebaut wird mit der Erde jenes Deiches bei Lödderitz, der nun nicht mehr gebraucht wird. Und auch das alte Deichhaus findet einen neuen Platz. Früher wachten die Lödderitzer hier bei Hochwasser, um den Deich zu verteidigen. Bald wollen sie es Stück für Stück abtragen. Es soll wieder aufgebaut werden, mitten im Ort.

© SZ vom 29.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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