Nato:Gabriel, der Gegenspieler

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Auf Konfrontationskurs mit seinem US-Kollegen: Außenminister Sigmar Gabriel. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Beim Treffen der Nato-Außenminister geht Gabriel auf Konfrontation zu seinem US-Kollegen Tillerson: Zwei Prozent des Haushaltes für Verteidigung auszugeben sei unrealistisch.

Von Daniel Brössler, Brüssel

In einer Hinsicht sitzen der Amerikaner und der Deutsche in einem Boot. Für beide ist es das erste Mal: Sigmar Gabriel und Rex Tillerson geben ihre Premiere beim Treffen der Nato-Außenminister, wobei für den Deutschen wohl nicht der ganze Terminplan noch einmal umgeschmissen worden wäre. Die Sitzung wurde kurzfristig vorverlegt, weil der Amerikaner nächste Woche wichtigere Verpflichtungen hat. Ein Treffen ohne den Amerikaner ausgerechnet jetzt, das wollten die anderen dann doch nicht. Schließlich geht es darum, "die Bühne zu bereiten", wie es Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nennt, für das Treffen der Staats- und Regierungschefs, zu dem auch US-Präsident Donald Trump Ende Mai kommt.

In dem Stück geht es in erster Linie um Geld. Für die Generalprobe hat der Sozialdemokrat Gabriel die Rolle des Gegenspielers von Tillerson gewählt. Die USA fordern, dass alle Nato-Staaten bis 2024 mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben müssten. "Die Beschlüsse der Nato kennen kein apodiktisches Zwei-Prozent-Ziel. So etwas gibt es nicht", sagt Gabriel kaum, dass er das Nato-Hauptquartier betreten hat. Ganz unabhängig von der Faktenlage ist das genau das Gegenteil von dem, was Tillerson gerne hören möchte und auch nicht exakt das, was Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt. "Wir haben uns in Wales dem Zwei-Prozent-Ziel bis zum Jahr 2024 verpflichtet, haben im letzten Jahr unseren Verteidigungsetat um acht Prozent gesteigert und werden auch weiterhin in diese Richtung arbeiten", sagte sie in ihrer Pressekonferenz mit Donald Trump.

Man müsse schon "richtig zitieren", fordert Gabriel. Beim Gipfel von Wales 2014, an dem neben Merkel auch der damalige SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier teilnahm, hatten die Nato-Staaten das Versprechen erneuert, Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes anzustreben. Sie sagten Maßnahmen zu, die "darauf abzielen, sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von zwei Prozent zuzubewegen, um ihre Nato-Fähigkeitenziele zu erreichen und Fähigkeitslücken der Nato zu schließen". Das Ziel gibt es also schon, aber verbindlich ist es im Text tatsächlich nicht. Trump besteht trotzdem drauf.

"Verbündete, die noch keinen konkreten Plan haben, wie sie bis 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausgeben können, müssen nun einen aufstellen", fordert Tillerson von seinen Ministerkollegen. Bereits bis Mai wollen die Amerikaner Pläne sehen. Und was die Deutschen betrifft, hatte Trump ihnen bereits per Twitter Milliardenschulden attestiert.

Gabriel hat schon öfter klargestellt, wie wenig er von solchen Rechnungen hält. Das Thema ist für den Wahlkampf in Deutschland gesetzt, und auch in Brüssel will der Außenminister nichts anderes sagen. "Mehr Geld schafft noch nicht mehr Sicherheit", sagt er. Eine gerechtere Lastenteilung mit den USA sei nötig, aber man dürfe den Sicherheitsbegriff nicht reduzieren auf Militärausgaben. "Wir Deutschen geben derzeit sehr viel Geld dafür aus, Flüchtlinge aufzunehmen, die gekommen sind, weil Militärinterventionen fehlgeschlagen sind und weil es keine Stabilisierung danach gegeben hat." Da sehe man doch "was es bedeutet, wenn man sich nur auf Militärausgaben konzentriert".

Außerdem sei es "völlig unrealistisch zu glauben, dass Deutschland seine Militärausgaben auf über 70 Milliarden Euro im Jahr von derzeit 35 Milliarden steigern würde". Er kenne "keinen Politiker in Deutschland, der glaubt, dass das in unserem Land erreichbar oder auch nur wünschenswert wäre." Im Konferenzsaal melden die meisten Minister eifrig ihre Fortschritte auf dem Weg zu zwei Prozent. Etliche akzeptieren sie als feste Zielgröße.

Spricht Gabriel für die ganze Bundesregierung, fragen sich einige in Brüssel. Noch während des Treffens kommt die Antwort aus Berlin. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) meldet sich empört zu Wort. "Das klingt schon wieder sehr nach einem deutschen Sonderweg", klagt sie. Man müsse sich aufeinander verlassen können. "Was für alle unsere Partner in der Nato gilt, soll für uns nicht gelten? Die anderen strengen sich an, wir halten uns zurück. So funktioniert die Allianz nicht."

© SZ vom 01.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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