Nahostkonflikt:Ein Anfang ist gemacht

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Die Palästinenser-Organisationen Hamas und Fatah wollen sich nach jahrelanger Fehde wieder versöhnen. Das Abkommen ist ein Erfolg, auch wenn es eine entscheidende Frage offen lässt: Wie verhält sich der bewaffnete Arm der Hamas?

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Palästinensische Frauen in Gaza-Stadt, im Hintergrund der geistige Führer der Hamas, Scheich Ahmed Jassin (links), und der ehemalige Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation Jassir Arafat. Vor allem im verarmten Gaza-Streifen erhofft man sich vom Kairoer Abkommen ein Ende der Isolation. (Foto: Mohammed Salem/Reuters)

Der ägyptische Geheimdienst ist nicht gerade für Transparenz bekannt, seine Zentrale in Kairo gleicht einer Festung. Durchschnittliche Bürger bekommen nur die meterhohe Umfassungsmauer zu sehen. Hinter diesen Mauern hatten Vertreter der rivalisierenden Palästinenser-Organisationen Fatah und Hamas seit Dienstag verhandelt, unter der "großzügigen Vermittlung Ägyptens", wie es der Chef des Politbüros der Hamas, Ismail Haniyah, ausdrückte. Man könnte auch sagen: Unter dem massiven Druck Ägyptens, das in der Palästinenserfrage ebenso wie bei der Suche nach einer Lösung der Dauerkrise im Nachbarland Libyen oder bei zeitgleich in Kairo stattfindenden Verhandlungen über einen lokalen Waffenstillstand in Syrien versucht, wieder an seinen alten Status als regionale Ordnungsmacht anzuknüpfen.

Ägypten und die Emirate wollen ihren Einfluss bei den Palästinensern ausbauen

Nun ist das Versöhnungsabkommen zwischen den Palästinensern bei allen offenen Fragen an sich schon ein vorzeigbarer Erfolg. Doch ließ der Geheimdienst westliche Journalisten nicht zur Unterzeichnung des Papiers durch den Vize-Chef der Hamas, Salah al-Aruri, und Azzam al-Ahmad, den Chef der Fatah-Delegation, in das Gebäude. Eine angekündigte Pressekonferenz fand bis zum Abend nicht statt. Stattdessen verbreitete der Informationsdienst der Regierung in Kairo eine dürre Erklärung, die mehr Fragen offenlässt als sie beantwortet. Vor allem nicht jene nach der Zukunft des bewaffneten Arms der Hamas, an der bislang noch jedes Abkommen letztlich gescheitert ist, 2011 genauso wie 2014.

Es könnte diesmal dennoch anders kommen, auch weil Ägypten nicht alleine dasteht. Kairo hat bei seinen Bemühungen Rückhalt durch die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien. Und möglicherweise auch durch die USA und sogar Israel - was allerdings von der genauen Ausgestaltung der Vereinbarung und mehr noch ihrer Umsetzung abhängen dürfte. Die arabische Dreier-Allianz verbinden gemeinsame regionalpolitische Interessen, die sie nun auch in den Palästinensergebieten verfolgen: Sie wollen die von ihnen als Terrorvereinigung eingestufte Muslimbruderschaft und deren politischen Islam zurückdrängen. Die Hamas ist der palästinensische Ableger der Muslimbrüder, hat sich auf Druck aus Kairo aber von der ägyptischen Mutterorganisation losgesagt.

Zugleich wollen die drei Staaten Katar und Iran aus Gaza herausdrängen, die beiden bislang wichtigsten Unterstützer der sunnitischen Hamas. Unter der Führung der Emirate und Saudi-Arabiens hatte eine Reihe arabischer Länder Anfang Juni ihre diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Doha abgebrochen und eine Art Blockade über das Golf-Emirat verhängt. Der schiitische Iran gilt zumindest Saudi-Arabien, Führungsmacht der Sunniten, als wichtigster regionaler Rivale.

Für Ägypten geht es überdies darum, den im Nordsinai aktiven Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu besiegen und seine Grenze zum Gazastreifen zu sichern. Die Region ist für Ausländer nicht zugänglich und unabhängige Informationen nur schwer zu erhalten. Das ägyptische Militär berichtet aber regelmäßig, dass Kämpfer samt Waffen nach Ägypten einsickern würden, obwohl die Armee die Schmuggeltunnel zerstört hat, die lange für die Versorgung des Gazastreifens zentral waren. Derzeit richtet die Armee in Rafah eine Pufferzone ein, für die viele Häuser gesprengt und abgerissen wurden.

Zugleich hoffen die arabischen Staaten, mit einer Einigung unter den Palästinensern Druck auf US-Präsident Donald Trump aufzubauen, einen Anlauf für Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern zu wagen. Trump hat sich dafür offen gezeigt, aber eine Rolle der arabischen Staaten eingefordert. Allerdings ist fraglich, ob die USA eine Regierung mit Hamas-Beteiligung als Verhandlungspartner akzeptieren würden. Die Gruppe steht in den USA auf der Terrorliste, ebenso in der EU. Israel hat bislang immer ausgeschlossen, mit einer Regierung zu verhandeln, an der die Hamas beteiligt ist.

Mindestens Ägypten und die Emirate wollen auch ihren Einfluss bei den Palästinensern ausbauen. Abu Dhabi soll mit seinem Geld Katar als wichtigsten Investor in Gaza ersetzen, zugleich versuchen sie, den in Ungnade gefallenen Fatah-Funktionär Mohammed Dahlan als Nachfolger für den als amtsmüde geltenden Präsidenten der Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, zu positionieren. Abbas hatte sich 2011 mit Dahlan überworfen und ihn beschuldigt, PLO-Chef Jassir Arafat vergiftet zu haben. Dahlan ging daraufhin ins Exil nach Abu Dhabi. Bis 2007 war er Sicherheitschef der Fatah im Gazastreifen gewesen und hat bis heute enge Kontakte dorthin.

Abbas hat sein Mandat überzogen; Neuwahlen zum Parlament und für das Präsidentenamt sind überfällig. Die allerdings dürfte nach vielen Umfragen derzeit die Hamas gewinnen - im Gazastreifen und im Westjordanland. Eine Einheitsregierung aber könnte es möglich machen, im Konsens die Wahlen weiter aufzuschieben.

© SZ vom 13.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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