Nach Minarett-Verbot:Muslime sollen Schweizer Konten räumen

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Wegen des Minarett-Bauverbots sollten Muslime ihr Geld nicht länger in der Schweiz anlegen, verlangt ein türkischer Minister. Tausende gehen gegen das Verbot auf die Straße.

Nach dem Minarett-Votum in der Schweiz hat der türkische Europaminister wohlhabende Muslime in aller Welt aufgerufen, ihr Vermögen aus der Alpenrepublik abzuziehen und in der Türkei anzulegen. Schließlich habe der türkische Bankensektor der jüngsten Finanzkrise unbeschadet widerstanden, sagte Minister Egemen Bagis nach Presseberichten vom Mittwoch.

Gegen das Minarett-Verbot gingen in der Schweiz Tausende auf die Straße. (Foto: Foto: dpa)

Zugleich rief Bagis die Schweizer auf, die "fehlerhafte Entscheidung" des Referendums vom vergangenen Sonntag zu korrigieren.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte die Schweizer Entscheidung am Dienstag als Zeichen einer wachsenden Islamophobie in Europa gewertet. Auch die Opposition in Ankara kritisierte den Ausgang des Referendums. Das Ergebnis zeige, dass westliche Werte lediglich im Rahmen des Christentums verstanden würden, sagte der Chef der nationalistischen Partei MHP, Devlet Bacheli.

Der Vorsitzende der linksnationalen CHP, Deniz Baykal, forderte, die Türkei müsse Europa mit Fragen nach dem europäischen Druck auf den Islam konfrontierten.

Die Schweizer Außenministerin hat derweil Selbstkritik am Verhalten der Regierung im Vorfeld des Volksentscheids geübt: Sie habe die Ängste der Bevölkerung unterschätzt, sagte Micheline Calmy-Rey der Wochenzeitung Die Zeit.

Das überraschende Abstimmungsergebnis mit der hohen Zustimmung für ein Verbot hänge mit der Angst vor dem Unbekannten in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zusammen. "Das Ja zur Minarett-Initiative ist aber nicht gegen die muslimische Gemeinschaft in der Schweiz gerichtet, sondern eher ein Alarmsignal an die Adresse des Bundesrats", sagte die Ministerin.

Scharf griff Calmy-Rey die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) an, die die Abstimmung mit initiiert hatte. Die öffentliche Diskussion sei "durch falsche Behauptungen getrübt" worden. "Die Initiative wurde von einer politischen Partei instrumentalisiert, welche in der Regierungsverantwortung steht. Dies ist inakzeptabel", sagte die Genferin, die der Sozialdemokratischen Partei (SP) angehört. Der Kanton Genf gehörte zu den wenigen Kantonen, in denen ein Verbot des Neubaus von Minaretten am vergangenen Sonntag abgelehnt wurde.

Zwar sei nun der Bau neuer Minarette untersagt, nicht aber die Einrichtung neuer Moscheen, sagte die Ministerin. Die muslimische Gemeinschaft sei in der Schweiz gut integriert und werde die 200 Moscheen des Landes wie bisher besuchen können. "Auf einem anderen Blatt steht, was passiert, falls der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte feststellen sollte, dass die Bestimmung die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt."

Tausende demonstrieren gegen Minarett-Verbot

Am Dienstag hat es in mehreren Städten im Westen der Schweiz Protestkundgebungen gegen das per Volksentscheid beschlossene Bauverbot gegeben. Die größten Kundgebungen wurden nach einem Bericht der Nachrichtenagentur SDA in Lausanne und Genf veranstaltet, insgesamt beteiligten sich mehrere tausend Schweizer an den Protesten.

Die Demonstranten in Lausanne riefen bei ihrem Protestmarsch von der Kathedrale zur Moschee "Nein zur Diskrimination!" und "Für eine solidarische Schweiz!". Vor der Moschee dankten Vertreter der muslimischen Gemeinde den vier Kantonen Basel-Stadt, Genf, Waadt und Neuchâtel (Neuenburg), in denen mehrheitlich gegen das Verbot gestimmt worden war. In Genf wurden vor der Kathedrale zwei Minarette aus Holz und Papier errichtet.

Die Schweizer hatten der Forderung zweier rechtspopulistischer Parteien nach einem Bauverbot für Minarette am Sonntag mit mehr als 57 Prozent zugestimmt. Der Ausgang des Referendums hatte international Besorgnis und Empörung ausgelöst, während rechtsgerichtete Parteien in Europa die Abstimmung begrüßten.

© AFP/dpa/bica/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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