Mutmaßlicher Kriegsverbrecher:Demjanjuk ist haftfähig

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Der mutmaßliche NS-Verbrecher Demjanjuk ist laut Ärzten der Haftanstalt Stadelheim haftfähig - ob er auch verhandlungsfähig ist, muss noch untersucht werden.

Der mutmaßliche Nazi-Verbrecher John Demjanjuk ist nach Einschätzung der Ärzte der Münchner Haftanstalt Stadelheim haftfähig. "Sein Zustand ist gut - er ist nicht altersadäquat, sondern besser als man es bei einem 89-Jährigen erwarten kann", sagte der stellvertretende JVA-Leiter Jochen Menzel.

John Demjanjuk am Dienstag bei seiner Ankunft in München. Ob der 89-Jährige verhandlungsfähig ist, muss jetzt geklärt werden. (Foto: Foto: AP)

"Jetzt ist er ohne Zweifel haftfähig." In Demjanjuks Alter könne sich der Gesundheitszustand allerdings stündlich ändern. Die Staatsanwaltschaft München will in wenigen Wochen Anklage gegen den gebürtigen Ukrainer erheben.

Die für einen Prozess entscheidende Frage der Verhandlungsfähigkeit ist damit aber noch nicht geklärt. Ein medizinisches Gutachten dazu wird noch erarbeitet. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft München I, Anton Winkler, sagte, der Gutachter müsse den 89-Jährigen gründlich untersuchen und dann die Untersuchungsergebnisse auswerten.

Nicht verhandlungsfähig wegen Schmerzmitteln?

Es liege nicht in der Hand der Staatsanwaltschaft, wann dies abgeschlossen werde. "In dieser Woche rechne ich nicht mehr mit einer Entscheidung. Wenn, dann frühestens nächste Woche."

Die Verteidiger Demjanjuks argumentieren, ihr Mandant sei allein deshalb nicht verhandlungsfähig, weil er permanent Schmerzmittel nehmen müsse und sich wegen der Einnahme der Medikamente nicht selbst verteidigen könne. Dies ist aber Voraussetzung für eine Verhandlungsfähigkeit.

Die Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, forderte, dass NS-Kriegsverbrecher wie John Demjanjuk auch im hohen Alter noch zur Verantwortung gezogen werden. "Es geht um eine gerechte Strafe für einen mutmaßlichen Kriegsverbrecher, der kein Mitleid hatte mit seinen Opfern", sagte sie der Berliner Zeitung. Die strafrechtliche Aufarbeitung sei wichtig, denn es würden Fakten für die Nachwelt geschaffen.

Die Zentralratsvorsitzende kritisierte die strafrechtliche Verfolgung von Naziverbrechern in den vergangenen 60 Jahren. "In der Nachkriegszeit kostete die empörende Milde gegenüber Tätern von Seiten der Ermittler wertvolle Zeit", sagte Knobloch. "Die Opfer haben dieses Vorgehen als Verhöhnung ihrer Leiden empfunden."

Demjanjuk als "Personifizierung des äußersten Grauens"

Der Kölner Publizist Ralph Giordano kritisierte, dass es so lange gedauert hat, bis Demjanjuk in Deutschland vor Gericht gestellt wird. "Wenn ich ein Synonym finden sollte für das äußerste Grauen, das Menschen von Menschen angetan werden kann, dann würde ich sagen, dieses Wort heißt Sobibor und seine Personifizierung heißt John Demjanjuk", sagte Giordano dem Bremer Weser-Kurier. "Ich hoffe, dass Demjanjuk für den Rest seines Lebens in den Knast kommt. Das tröstet mich nicht, das erfüllt mich auch nicht mit Genugtuung. Kein einziger wird dadurch wieder lebendig."

Auch der französische Nazi-Jäger Serge Klarsfeld begrüßt den geplanten Prozess gegen Demjanjuk . "Es ist positiv, dass die Nazi-Verbrechen bis zum letzten Atemzug des letzten Verbrechers verfolgt werden", sagte Klarsfeld in Paris. Demjanjuk stehe für alle KZ-Bewacher, die den Holocaust in die Tat umgesetzt hätten. Klarsfeld kündigte an, mit Angehörigen von im NS-Vernichtungslager Sobibor getöteten Juden aus Frankreich bei dem Verfahren in Deutschland als Nebenkläger aufzutreten.

Demjanjuk war am Dienstag von den USA an Deutschland ausgeliefert worden. Er soll 1943 für ein halbes Jahr zu den Wachmannschaften im NS-Vernichtungslager Sobibor gehört haben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem gebürtigen Ukrainer Beihilfe zum Mord in 29.000 Fällen vor. Demjanjuk bestreitet, je in Sobibor gewesen zu sein.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/ddp-by/liv/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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