Musik:Highway to Hell

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Zeitloser Klassiker: Die Gibson Les Paul. Dieses Exemplar gehörte dem Rolling Stones-Gitarristen Keith Richards. (Foto: dpa)

Viele Kult-Gitarristen spielen ihre Soli auf einem ebenso kultigen Instrument: einer Gibson. Nun meldet der legendäre Gitarrenbauer Insolvenz an.

Von Claus Hulverscheidt

Wenn er seine Les Paul "singen" höre, so hat Billy Gibbons, der langbärtige Gitarrist der Bluesrockband ZZ Top einmal gesagt, dann klinge das so, "als würden sich die Tore des Himmels öffnen". Man kann solche Aussagen als das Gerede alternder Rock 'n' Roller abtun, aber wer die Königin unter den E-Gitarren einmal gespielt hat, weiß, was Gibbons meinte: Vielleicht singt die Gibson Les Paul nicht so herrlich wie die himmlischen Heerscharen, schön wie eine Nachtigall aber klingt sie allemal, manchmal auch wie eine Nachtigall im Stimmbruch. Nun ist Gibson pleite.

Wenn eine Ikone mit Wurzeln bis ins Jahr 1894 Insolvenz anmeldet, gerät rasch die Moderne ins Visier, der angeblich nichts mehr heilig ist. Und tatsächlich: Die Zeiten, in denen Gitarristen wie Chuck Berry, Eric Clapton oder Slash Helden waren und mit ihrer Liebe zu Gibson- oder Fender-Instrumenten Generationen von Hobby-Rockern infizierten, sind vorbei. Heute stehen die Stars oft mit Laptop auf der Bühne und haben schon über alles sinniert, nur nicht über Gitarrensoli.

Und doch: Dass Gibson nun ums Überleben kämpft, liegt nicht daran, dass sich Firmenchef Henry Juszkiewicz dem Zeitgeist verweigert hätte - im Gegenteil, er wollte an dessen Spitze stehen. 2014 kaufte Gibson die Audio-Sparte des niederländischen Philips-Konzerns. Der schnöde Instrumentenbauer aus Amerikas Musikhauptstadt Nashville sollte zum "Musik-Lifestyle-Anbieter" werden, der neben Kopfhörern, stylishen Aktivboxen und DJ-Zubehör auch, ja, Gitarren verkauft. Es war ein Beschluss, den sogar Juszkiewicz selbst mittlerweile als "nicht so toll, um nicht zu sagen: sehr schlecht" bezeichnet.

Während das Geschäft mit der Les Paul, der nicht minder berühmten ES, der SG und der Flying-V heute zwar nicht sensationell, aber ordentlich läuft, hängt Gibson der "Lifestyle"-Bereich wie ein Mühlstein um den Hals. Mit etwa 500 Millionen Dollar steht die Firma bei den Geldgebern in der Kreide, gerettet werden kann sie nur noch, wenn die Gläubiger einer radikalen Umschuldung zustimmen. Um einen geordneten Sanierungsversuch zu ermöglichen, hat Gibson nun also Insolvenz oder, wie man in den USA sagt, Gläubigerschutz beantragt. Und tatsächlich sind die Geldgeber um die Kapitalbeteiligungsgesellschaft KKR, die im Zuge des Verfahrens Miteigentümer des Unternehmens werden, offenbar zum Umbau bereit: Juszkiewicz zufolge wollen sie ein neues Darlehen über 135 Millionen Dollar bereitstellen, mit dem das "Lifestyle"-Geschäft abgewickelt und das Kerngeschäft gestärkt werden soll. Läuft alles glatt, bekommt der Kunde davon gar nichts mit.

Alles andere als das Überleben des Betriebs wäre für die globale Gitarristen-Gemeinde wohl eine Tragödie. Jede fünfte E-Gitarre ist eine Gibson, Keith Richards spielt sie, Pete Townshend ebenso, und ohne Angus Youngs weinrote SG wäre "Highway to Hell" nicht, was es ist. Vor allem aber die "Paula", jene Melange aus Arbeitstier und Luxuslimousine, bringt mit ihren herrlich geschwungenen Linien und der glänzenden Decke aus Mahagoni oder Ahorn Musiker auch heute noch zum Träumen. Die Les Paul, so hat es Jimmy Page, Gitarrist der legendären Led Zeppelin, einmal zusammengefasst, sei für ihn nicht weniger als "Geliebte und Ehefrau" zugleich.

© SZ vom 03.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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