Migration:Vertrauen trotz Diskriminierung

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Viele Muslime mit Migrationshintergrund identifizieren sich stark mit Europa, das zeigt eine neue Studie.

Von Matthias Drobinski, München

Drei von vier Muslimen mit Migrationsgeschichte, die jetzt in den Ländern der Europäischen Union leben, identifizieren sich stark mit ihrer neuen Heimat. Sie haben ein hohes Vertrauen in die staatlichen Institutionen und fast ausnahmslos nichts gegen andersgläubige Nachbarn. Viele haben allerdings in den vergangenen fünf Jahren aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Aussehens Diskriminierungen erfahren. Dies sind Ergebnisse einer Studie der EU-Grundrechteagentur mit Sitz in Wien, die im vergangenen Jahr mehr als 25 000 Menschen aus verschiedenen Zuwanderergruppen und ethnischen Minderheiten in allen 28 EU-Staaten befragen ließ.

92 Prozent der Befragten gaben an, nichts gegen einen Nachbarn mit anderer Religionszugehörigkeit zu haben. Die Toleranz sank allerdings bei der Frage, was wäre, wenn ein Familienmitglied einen nichtmuslimischen Partner heiraten würde: 48 Prozent erklärten, dies mache ihnen "überhaupt nichts" aus; 17 Prozent sagten, sie würden sich unwohl fühlen. 23 Prozent der Befragten hätten ein Problem mit einem homo- oder bisexuellen Nachbarn, 30 Prozent mit einem Transsexuellen.

Bemerkenswert ist die hohe Meinung der Befragten über Polizei und Justiz, Staat und Politik: Auf einer Skala von eins bis zehn erhalten die Polizei (6,6), die Justiz (6,6) und das nationale Parlament (5,7) gute Noten - sogar bessere als in der Gesamtbevölkerung (Polizei: 6,5; Justiz 5,5; Parlament 4,5). Im Schnitt bewerten Muslime auch das EU-Parlament, Politiker und Parteien höher als es die EU-Bürger tun.

Viele Muslime berichteten den Befragern von Diskriminierungen. 39 Prozent fühlten sich aufgrund ihrer Herkunft in den vergangenen Jahren benachteiligt; sie machen das an durchschnittlich fünf Ereignissen pro Jahr fest - für die Forscher ein Hinweis, "dass Diskriminierung einer wiederkehrende Erfahrung ist". Mehr als die Hälfte der Wohnungs- und fast die Hälfte der Arbeitssuchenden sagten, sie seien aufgrund ihres Namens zurückgesetzt worden. 39 Prozent der Frauen mit Kopftuch berichteten von Diskriminierungen, 42 Prozent derer, die von der Polizei kontrolliert wurden, sagten, dies sei auf ihren Migrationshintergrund zurückzuführen.

Im Ländervergleich liegt Deutschland meist im Mittelfeld. Auffällig ist, dass nur 18 Prozent der Türkischstämmigen, aber 50 Prozent der Muslime von jenseits der Sahara von Diskriminierungen berichteten. In Österreich äußerten 31 Prozent der Einheimischen Vorbehalte gegenüber Muslimen (Deutschland: 22 Prozent, Frankreich: sieben Prozent). Dort war auch die Identifikation der Muslime niedriger als in den meisten anderen Ländern.

© SZ vom 22.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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