Massenproteste in Syrien:Assad lässt Demonstranten niederschießen

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Syriens Präsident Assad hebt den verhassten Ausnahmezustand auf, lässt aber weiter auf Demonstranten schießen. Die Protestbewegung hat Dutzende Tote zu beklagen - und zeigte sich am Freitag machtvoller denn je.

Tomas Avenarius

Trotz der Aufhebung des seit Jahrzehnten geltenden Notstandes weitet die Opposition in Syrien ihre Proteste aus. Nach den Freitagsgebeten seien landesweit Zehntausende Demonstranten mit der Forderung nach einem Systemwechsel und dem Rücktritt von Präsident Baschar al-Assad auf die Straße gegangen, meldete die Agentur Reuters. Bei Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften sollen bis zum Abend mindestens 16 Menschen getötet worden sein, als Polizisten mit scharfer Munition schossen. Die Agentur AFP berichtete unter Berufung auf Menschenrechtsaktivisten und Augenzeugen sogar von 70 Toten. Der Freitag ist traditionell der Haupttag der seit Wochen anhaltenden Proteste; diesmal veröffentlichten die Oppositionellen erstmals auch eine gemeinsame Erklärung. Sie forderten ein Ende des Machtmonopols der seit Jahrzehnten herrschenden Baath-Partei Assads und demokratische Reformen.

Demonstranten verbrennen ein Plakat ihres Präsidenten Baschar al-Assad vor der Syrischen Botschaft in Nicosia. Auch in Syrien war der Karfreitag blutig. (Foto: AP)

Da Syrien die Einreise von ausländischen Journalisten weitgehend unterbindet, waren die Berichte über den Verlauf der Freitagsproteste lückenhaft. Sie haben offenbar das ganze Land erfasst. In Banias am Mittelmeer wurde ebenso demonstriert wie in Deir al-Sor und im kurdischen Kamischli im Osten. In mehreren Stadtteilen der Hauptstadt Damaskus feuerten Polizisten und Soldaten ebenso wie in anderen Orten scharfe Munition und Tränengas ab.

Sieben Demonstranten starben der Opposition zufolge allein in Vorstädten von Damaskus. Mindestens 14 weitere wurden laut AFP in der südlichen Stadt Asraa getötet. In Hama, wo Präsident Assads Vater Hafis al-Assad vor 30 Jahren einen islamistischen Aufstand mit einem Blutbad unterdrückt hatte, schossen Scharfschützen auf Demonstranten, die zum Sitz der Baath-Partei zogen. "Es waren zwei Scharfschützen auf dem Gebäude. Keiner von uns hatte Waffen. Es gab Opfer, möglicherweise zwei Tote", berichtete ein Zeuge.

Seit Beginn der Proteste sind mehr als 220 Menschen getötet worden. In Deraa, wo die Proteste vor sechs Wochen begonnen hatten, forderten auch am Freitag Tausende den Rücktritt Assads, der im Jahr 2001 die Nachfolge seines Vaters angetreten hatte. In einer gemeinsamen Erklärung forderten die Oppositionellen die Freilassung aller politischen Häftlinge. Der Sicherheitsapparat, berüchtigt für seine Unterdrückung jeder Opposition und für seine Foltermethoden, müsse aufgelöst werden. Die Opposition hatte ihre Forderungen verschärft, nachdem Assad am Donnerstag den seit 48 Jahren geltenden Ausnahmezustand aufgehoben hatte.

Dieser hatte praktisch alle Bürgerrechte außer Kraft gesetzt. Zudem kündigte der Staatschef an, das Staatssicherheitsgericht abzuschaffen, das außerhalb des ordentlichen Rechtssystems urteilt. Auch das Versammlungsrecht wurde liberalisiert. Die Opposition nannte die Reformen unzureichend. Andere bestehende Gesetze räumten der Staatssicherheit weiter alle Vollmachten ein.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle hatte am Donnerstag erklärt, die Abschaffung des Notstandsgesetzes sei "ein erster Schritt in die richtige Richtung". Es müssten aber weitere folgen.

© SZ vom 23.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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