Lebensmittel:Einen im Tee

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Muss Vanille drin sein, wo Vanille draufsteht? Die Richter am Bundesgerichtshof beschäftigen sich damit. Die Verbraucherzentrale hat gegen einen Tee-Hersteller geklagt.

Von Wolfgang Janisch

Der kritische Verbraucher, so könnte man meinen, lebt doch eigentlich in goldenen Zeiten. Wenn es ums Essen geht, ist man skeptisch geworden, zum Glück. Zwar hat der Lebensmittelskandal in seinen zahllosen Variationen sich düster aufs Gemüt der Menschen gelegt, die Einkaufswagen durch Supermärkte schieben. Gerade deshalb möchte der moderne Konsument aber auch gern wissen, was genau in der Packung drin ist und wo es herkommt. Ob die Ware bio ist und ob man dem auch trauen kann. Aber dank deutscher und europäischer Paragrafenproduktion mangelt es nicht an aufklärenden Hinweisen: Wer für den einzelnen Joghurt nur genügend Zeit am Kühlregal mitbringt, der kann sich nach eingehendem Studium der Zutatenliste ein halbwegs klares Bild machen.

An diesem Mittwoch verhandelt der Bundesgerichtshof über eine Klage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Der Fall illustriert, was man bereits geahnt hat: Mit ein paar gekonnt platzierten Schlüsselreizen lässt sich der informative Nutzen des Kleingedruckten auf null reduzieren. Es geht um den Früchtetee "Felix Himbeer-Vanille Abenteuer" aus dem Hause Teekanne, das fröhliche Etikett ist mit Himbeeren und Vanilleblüten garniert und verspricht "natürliche Aromen". Die Zutatenliste wird dann präziser, sie reicht von Apfel bis Zitronenschalen, diverse Beerenarten sind auch darunter und natürliche Aromen mit Himbeer- sowie mit Vanille -Geschmack. Eigentlich fehlen nur zwei Bestandteile komplett. Nämlich Himbeeren und Vanille.

Auf Vorlage des BGH hat der Europäische Gerichtshof im Juni entschieden, dass darin eine Irreführung der Verbraucher liegen kann. Auch eine korrekte Zutatenliste sei womöglich ungeeignet, "einen falschen oder missverständlichen Eindruck" aus der Etikettierung zu berichtigen. In seinem abschließenden Urteil muss der BGH nun klären, wo genau die Irreführung anfängt.

Dass Konsumenten Vanille erwarten, wo Vanille draufsteht, deckt sich - wenig überraschend - mit den Erkenntnissen der Verbraucherzentrale. Auf ihrem Internetportal hat sie viele Beispiele solcher enttäuschten Erwartungen aufgelistet: Pfirsich-Maracuja-Kaltschale ohne Pfirsich, eine Quarkcreme ohne Quark, Parmesan-Croûtons fast ohne Parmesan. Begleitende Studien zeigen zwar, dass die Konsumenten keineswegs naiv sind: Fast drei Viertel haben das Gefühl, dass "bei den Angaben auf Lebensmitteln viel getrickst" werde, das hat eine Verbraucherbefragung von 2013 ergeben. Dennoch haben sie die Hoffnung auf einen Rest von Wahrheit in der Produktbezeichnung nicht aufgegeben: Zwei Drittel erwarten, dass für eine Kalbswurst ausschließlich Kalbfleisch verarbeitet wird. Nach den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuchs reichen übrigens 15 Prozent.

Eine große Rolle spielen Bilder. Wenn auf der Packung für ein Tofu-Frikassee eine fertige Portion aus Tofu, Reis und Erbsen zu sehen ist, dann setzen die Käufer darauf, dass sich alle Zutaten in der Packung befinden. Dies gilt einer weiteren Studie zufolge selbst dann, wenn daneben "Serviervorschlag" steht - ein Hinweis also, der den Verdacht wecken könnte, dass man für Reis und Erbsen selbst sorgen muss.

© SZ vom 02.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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