Landgericht Hagen:Richter stellen Prozess gegen mutmaßlichen NS-Verbrecher ein

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Er hat 1944 einen Widerstandskämpfer erschossen - dennoch hat das Landgericht Hagen das Verfahren gegen den heute 92-Jährigen eingestellt. Die Verteidigung hatte einen Freispruch gefordert.

Das Landgericht in Hagen hat das Verfahren gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher Siert B. wegen der Ermordung eines niederländischen Widerstandskämpfers überraschend eingestellt.

Die Richter hätten zwar festgestellt, dass der heute 92-Jährige "eines Totschlags schuldig" sei, nicht aber eines Mordes. Da der nachgewiesene Totschlag inzwischen verjährt sei, sei das Verfahren von Gesetzes wegen einzustellen gewesen, sagte ein Sprecher des Landgerichts Hagen Süddeutsche.de.

Ein Mord aus Heimtücke, den die Staatsanwaltschaft zur Anklage gebracht hatte, sei nicht zweifelsfrei nachzuweisen gewesen.

Siert B. ist in den Niederlanden geboren und musste sich seit September vergangenen Jahres vor dem Landgericht in Hagen verantworten. Die Anklage warf ihm vor, im Zweiten Weltkrieg einen niederländischen Widerstandskämpfer hinterrücks und angeblich "auf der Flucht" erschossen zu haben. Umstritten war deshalb, ob das Mordmerkmal der Heimtücke in diesem Fall erfüllt gewesen war und Siert B. deshalb nicht wegen Totschlags, sondern wegen Mordes zu verurteilen sei. Mord verjährt nicht.

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer eine lebenslange Haft wegen Mordes gefordert. Die Verteidigung hatte Freispruch für den 92-Jährigen beantragt mit dem Argument, dem Angeklagten sei keine strafbare Handlung nachzuweisen.

Der Widerstandskämpfer Aldert Klaas Dijkema war 1944 im niederländischen Appingedam in der Provinz Groningen erschossen worden. Siert B. soll den Mord gemeinsam mit einem bereits verstorbenen SS-Mann begangen haben.

Im November hatte das Landgericht in Hagen die Einstellung des Prozesses wegen einer angeblichen Demenzerkrankung von Siert B. abgelehnt, da ein medizinisches Gutachten ihn für verhandlungsfähig erklärt hatte.

Der Prozess war zudem nicht der erste gegen Siert B., der frühere SS-Mann war 1980 bereits wegen Beihilfe zum Mord an zwei jüdischen Brüdern zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Auch damals stand er vor dem Landgericht Hagen.

Die Staatsanwaltschaft kann gegen die Entscheidung des Gerichts Rechtsmittel einlegen.

© Süddeutsche.de/dpa/ratz/anri/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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