Kurz gemeldet: 20 Jahre Mauerfall:Westerwelle weinte vor Glück

Lesezeit: 3 min

Außenminister Guido Westerwelle kamen am Abend des 9. November 1989 die Tränen, der Kapitalismus ist weltweit unbeliebt und Thierse warnt vor einer Verklärung Kohls.

Westerwelle weinte vor Glück

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat beim Mauerfall vor 20 Jahren vor Glück geweint. Er habe im Fernsehen verfolgt, wie ein Stück Weltgeschichte geschrieben worden sei, sagte Westerwelle in der ARD-Sendung Beckmann. "Als die Mauer fiel und eingerissen wurde, war ich wirklich völlig begeistert, gerührt und einfach richtig glücklich in dem Augenblick." Westerwelle betonte, dass die Mauer "von mutigen Männern und Frauen aus der damaligen DDR mit Freiheitsliebe und Freiheitswillen eingedrückt" worden sei. "Ich bin nicht nah am Wasser gebaut, aber es gibt drei Momente in meinem Leben, wo ich wirklich am Fernsehen Weltgeschichte verfolgt habe und geweint habe", sagte der Minister. Neben dem Mauerfall habe er bei der Ansprache des früheren Außenministers Hans-Dietrich Genscher (FDP) auf dem Balkon der Prager Botschaft und angesichts der Bilder während des Putsches gegen den sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow geweint.

Weltweite Unzufriedenheit mit Kapitalismus

20 Jahre nach dem Mauerfall und dem Niedergang des Kommunismus herrscht weltweit große Unzufriedenheit mit dem kapitalistischen Wirtschaftssystem. Laut einer Studie im Auftrag der britischen BBC waren nur elf Prozent der Befragten in 27 Ländern der Ansicht, dass der Kapitalismus in seiner derzeitigen Form gut funktioniert. Lediglich in den USA (25 Prozent) und Pakistan (21 Prozent) war mehr als jeder Fünfte mit der aktuellen Wirtschaftsordnung zufrieden. Unter dem Eindruck der schlimmsten Finanz- und Wirtschaftskrise seit den 30er Jahren glaubten 51 Prozent der Befragten, dass die Märkte stärker reguliert werden müssen. Im Schnitt 23 Prozent meinten, dass eine vollkommen neue Wirtschaftsordnung geschaffen werden müsse. "Es scheint, dass der Fall der Berliner Mauer nicht der überwältigende Sieg für die freie Marktwirtschaft gewesen ist, für den er damals gehalten wurde", sagte Doug Miller, Chef des Umfrageinstituts GlobeScan, das gemeinsam mit der Universität von Maryland rund 29.000 Menschen befragte.

In 15 der 27 untersuchten Länder spricht sich laut der Umfrage eine Mehrheit für eine stärkere direkte Kontrolle von Unternehmen durch den Staat aus. Mehrheiten in 22 Ländern wollen demnach, dass die Regierungen den Wohlstand gleichmäßiger verteilen. Den Zusammenbruch der Sowjetunion begrüßten in der Rückschau 54 Prozent der Befragten in allen Ländern. Dagegen halten im Schnitt 22 Prozent den Untergang der kommunistischen Supermacht für eine schlechte Sache, 24 Prozent gaben keine Antwort.

Thierse warnt vor Verklärung der Rolle Helmut Kohls

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) warnt vor einer Verklärung Helmut Kohls als Kanzler der Einheit. "Der Mauerfall vor 20 Jahren ist nicht das Ergebnis einer genialen Politik und genialer Politiker, sondern des Mutes vieler namenloser Menschen und das müssen wir verteidigen", sagte Thierse dem Radiosender Bayern 2. Das Mitglied der ersten frei gewählten DDR-Volkskammer verwahrte sich entschieden dagegen, dass der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) als derjenige hingestellt werde, dem Deutschland die Einheit zu verdanken habe. "Das hat ganz viel mit Propaganda zu tun, auch mit parteipolitischer Propaganda", sagte Thierse. "Nein, die Ostdeutschen haben die Mauer eingedrückt, damit hat Helmut Kohl nichts zu tun." Kohl habe hinterher aber den Prozess der deutschen Einigung mit Intelligenz vorangetrieben.

"Aber wer wie die CDU, die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung und die Springer-Presse wenige Tage vor dem Mauerfall eine große Veranstaltung mit Dank an Helmut Kohl, an (den früheren US-Präsidenten) George Bush senior und an (den ehemaligen Sowjetunion-Staatschef Michail) Gorbatschow macht, der enteignet uns Ostdeutsche vom wichtigsten, was wir haben, einer demokratischen, einer friedlichen Revolution, die gut ausgegangen ist", sagte Thierse.

_________________________________________________________________

Walesa bestreitet führende Rolle Gorbatschows beim Mauerfall

Der ehemalige polnische Präsident Lech Walesa hat bestritten, dass der Mauerfall vor 20 Jahren vor allem dem früheren sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow zu verdanken sei. Es sei "eine Lüge", dass Gorbatschow die Mauer zu Fall gebracht habe, sagte der Friedensnobelpreisträger dem polnischen Fernsehsender tvn24. Viel wichtiger sei die Rolle des damaligen Papstes Johannes Paul II. und der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc gewesen, die Walesa anführte.

"Es macht mich heute traurig, dass Helden aus denen gemacht werden, die keine waren", sagte Walesa. Gorbatschow habe weder den Kommunismus noch die Berliner Mauer stürzen wollen - "das lag nicht auf seinem Weg". "Wenn sie Dinge so dargestellt werden, heißt das, dass Europa auf einer Lüge errichtet wird, das erschreckt mich", sagte der frühere Gewerkschaftsführer. "Die Wahrheit ist, dass Papst Johannes Paul II. zu 50 Prozent zum Mauerfall beigetragen hat, 30 Prozent die Solidarnosc und Lech Walesa und nur 20 Prozent der Rest der Welt", sagte Walesa. Der polnische Papst habe seinerzeit die Völker Europas aufgerufen, das "Gesicht der Welt zu verändern", und seine Botschaft habe die Menschen ermutigt, die Politiker zu Veränderungen zu zwingen.

Symbolträchtige "Berliner Mauer" in Sofia gefallen

Zum 20. Jahrestag des Berliner Mauerfalls ist in der bulgarischen Hauptstadt Sofia eine symbolträchtige Mauer eingerissen worden. Die 20 Meter lange Kunstinstallation war am Samstag vor dem früheren Königspalast in der Innenstadt von Sofia errichtet worden. Seitdem wurde sie mit Graffiti besprüht. Neben den historisch inspirierten Texten gab es auch politisch aktuelle Slogans wie "DS (die kommunistische Staatssicherheit in Bulgarien) raus aus der EU" oder "Die Mauer fiel, die Mafia nicht". Das ehemals kommunistische Balkanland ist seit 2004 Mitglied der Nato und seit fast drei Jahren der Europäischen Union.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: