Wahl in Kroatien:Ideologie statt Ideen

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Nach der Parlamentswahl in Kroatien zeichnet sich eine Mehrheit für die Rechtskonservativen ab. Wer am Ende regiert, könnte ein Neuling entscheiden.

Von Nadia Pantel, Belgrad

Der kroatische Wahlsonntag endet nach ersten Teilergebnissen mit einem Vorsprung des bisher oppositionellen Mitte-Rechts-Bündnisses von Tomislav Karamarko und seiner HDZ. Nach Auszählung von etwa der Hälfte der Stimmen komme die HDZ auf 61 der 151 Sitze im Parlament, teilte die Wahlkommission am frühen Montagmorgen mit. Die bislang regierenden Sozialdemokraten kämen auf 53 Mandate, die unabhängige Liste "Most" (Brücke), geführt von Božo Petrov, die als drittstärkste politische Kraft gilt, auf 19 Sitze.

Die HDZ erklärte sich bereits zum Sieger. "Wir haben gewonnen", sagte der frühere Geheimdienstchef Karamarko in der Nacht zum Montag vor jubelnden Unterstützern, um gleichzeitig den Führungsanspruch seiner Partei zu untermauern: "Die Partei, die die meisten Stimmen gewonnen hat, muss Kroatien die Zukunft führen." Doch es ist keineswegs sicher, ob die HDZ regieren wird, denn selbst wenn sie die meisten Stimmen hat, muss sie noch einen Koalitionspartner finden.

Der Wahlkampf in Kroatien war kurz und heftig Wahlkampfes. Die Parteien hatten sich wenig Mühe mit politischen Programmen gemacht. Sie haben ihre Kraft stattdessen in einen ideologisierten Personenkampf gesteckt. In dem tauchten zwei tote Politiker auf, der frühere kroatische Präsident Franjo Tuđman und Josip Tito, der Diktator des sozialistischen Jugoslawiens. Ihre große Stunden liegen 16 (Tuđman), beziehungsweise 35 Jahre (Tito) zurück.

Knapp über 46 Prozent Wahlbeteiligung

Und die Mitbestimmungsfreude der Kroaten war bescheiden: Um 16.30 Uhr, zweieinhalb Stunden, ehe die Wahllokale schlossen, lag die Beteiligung knapp über 46 Prozent. Auf der einen Seite steht der Sozialdemokrat Zoran Milanović, der das Land seit Dezember 2011 regiert. Der 49-jährige Jurist führte Kroatien 2013 in die Europäische Union. Dass es ihm 2011 gelang, die rechtskonservative HDZ von der Macht zu drängen, lag an der Reformstimmung im Land.

Die HDZ war in zahlreiche Korruptionsskandale verstrickt, Milanović versprach den Weg nach Westen. Doch der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung stellte sich nicht ein. Knapp 20 Prozent der Kroaten sind heute arbeitslos, bei den unter 25-Jährigen sogar 45 Prozent. Die Löhne sind niedrig, die Lebensmittel teuer, wer kann, wandert aus. Gerade die Jungen nutzen die seit diesem Jahr geltende Arbeitnehmerfreizügigkeit und verlassen zu Tausenden das Land.

Die HDZ appelliert in dieser Misere an den Nationalstolz der Wähler. Ihr Kandidat Tomislav Karamarko investierte viel Zeit, um die halbe Million Männer, die sich als Veteranen des Bosnienkrieges sehen, auf seine Seite zu bringen. Wie genau er die versprochenen Zahlungen für Kriegsinvaliden, das höhere Kindergeld und die höheren Renten finanzieren will, ließ er allerdings bislang offen.

Auffanglager wurde aufgelöst

Die Flüchtlinge, die Kroatien zu Zehntausenden seit Ende September auf ihrem Weg Richtung Westen durchqueren, machten weder die HDZ noch die sozialdemokratische SDP zum zentralen Wahlkampfthema. Premier Milanović war es kurz vor der Wahl gelungen, einige der Probleme bei der Flüchtlingsversorgung zu mildern. Das chronisch überlastete Auffanglager in Opatovac, gleich hinter der serbischen Grenze, wurde aufgelöst, die Absprachen mit Serbien verbessert: Anstatt die Flüchtenden weiterhin zu Fußmärschen zwischen den Ländern zu zwingen, werden die Menschen nun direkt von Serbien in das neu gebaute Camp im kroatischen Slavonski Brod gebracht. Dort sollen beheizbare Räume und warmes Essen für bis zu 5000 Menschen bereitgestellt werden. So simpel die Maßnahmen klingen: Sie sind neu auf der sogenannten Westbalkanroute.

Milanović' vergleichsweise unaufgeregte Flüchtlingspolitik würde sich zwar ändern, wenn die HDZ die Wahl gewinnt, von ungarischen Zuständen ist dennoch nicht auszugehen. Zwar hat die Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarović, die HDZ-Mitglied ist, wiederholt ihre Bewunderung für Viktor Orbáns rigorosen Anti-Asyl-Kurs ausgedrückt, doch einen Zaunbau könnte sich Kroatien schlicht nicht leisten. Sollte die Grenze zu Serbien geschlossen werden, bliebe immer noch die zu Bosnien-Herzegowina. Und die ist über 900 Kilometer lang. Ohnehin sind Kroatiens Rechte in ihren fremdenfeindlichen Ideen auf den Nachbarn Serbien fixiert, weniger auf durchreisende Syrer.

Wer das Land künftig regieren wird, könnte am Ende Newcomer Božo Petrov entscheiden, der Führer der unabhängigen Liste "Most", die nach den vorläufigen Ergebnissen 17 Sitze errungen hat. Vor der Wahl schloss Petrov eine Koalition mit einer der beiden großen Parteien aus. Sein Hauptversprechen lautet: Wir bauen den riesigen Beamtenapparat ab.

© SZ vom 09.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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