Kriminalität:Immer mehr Gewalt gegen Flüchtlingsheime

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Die Polizei registrierte im vergangenen Jahr so viele politische Straftaten wie nie zuvor. Ziel sind immer öfter Asylbewerber. Doch Täter gibt es nicht nur unter Rechtsextremisten.

Von Ruth Eisenreich, Berlin

In Deutschland gab es im vergangenen Jahr so viele politisch motivierte Straftaten wie nie zuvor seit Beginn der Zählungen im Jahr 2001. Das zeigt die Statistik zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK), die Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Montag in Berlin vorstellte. Sowohl rechte als auch linke politische Kriminalität sind demnach - in de Maizières Worten - "geradezu explodiert". Besonders heftig nahm die Zahl der Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte zu.

In den vergangenen Jahren gab es jeweils etwa 17 000 politisch rechts motivierte Straftaten, der bisherige Negativrekord lag bei 20 422 Fällen im Jahr 2008. Im Jahr 2015 stieg die Zahl der rechten Straftaten auf 22 960. Der Großteil waren Propaganda-Delikte und Volksverhetzung. Aber es gab auch 1485 Gewalttaten von rechts - ebenfalls mit großem Abstand die höchste Zahl der vergangenen 15 Jahre. Auch bei links motivierter Kriminalität wurde der Negativrekord gebrochen: 9375 linke Straftaten gab es im Jahr 2009, im vorigen Jahr waren es schon 9605. Die Zahl der linken Gewalttaten stieg ebenfalls stark auf 2246.

Die Zahl der Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte, wie etwa in Neustadt a. d. Waldnaab im August vergangenen Jahres, nahm 2015 besonders stark zu. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Einen Rückgang gab es bei der "politisch motivierten Ausländerkriminalität". Das sind alle Delikte, die in einem Zusammenhang mit ausländischen politischen Gruppen stehen, wie eine Sprecherin des Innenministeriums erklärte. Herkunft und Staatsbürgerschaft des Täters seien dabei irrelevant. Auch eine Straftat eines Deutschen ohne Migrationshintergrund ist also politisch motivierte Ausländerkriminalität, wenn sie mit Sympathien etwa für eine islamistische Gruppe oder die kurdische PKK zu tun hat. 2025 solcher Straftaten gab es im vergangenen Jahr - weniger als 2014, aber immer noch viel mehr als in all den Jahren zuvor.

Den stärksten Anstieg gab es im vergangenen Jahr bei Straftaten gegen Asylunterkünfte und dort wohnende Menschen. Hatte es 2014 noch 199 Straftaten gegen Asylunterkünfte gegeben, waren es 2015 schon 1031, also mehr als fünf Mal so viele. Die Zahl der Gewaltdelikte versiebenfachte sich sogar: von 28 auf 199. Und Innenminister de Maizière erwartet für dieses Jahr keine Entspannung. Schon im ersten Quartal habe es 347 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gegeben, sagte er. Die Aufklärungsrate bei Anschlägen auf Flüchtlingsheime sei weiter "niedrig, zu niedrig", gab de Maizière zu. Nur rund ein Viertel der Fälle sei bisher geklärt worden.

(Foto: sz)

Neben den Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität stellte de Maizière am Montag auch die generelle Polizeiliche Kriminalstatistik 2015 vor. Hier gab es wegen der vielen Flüchtlinge eine starke Zunahme von ausländerrechtlichen Verstößen - von 156 000 im Vorjahr auf 403 000 im Jahr 2015. Das liege aber vor allem daran, dass "mit jedem Grenzübertritt Straftaten verwirklicht werden, nämlich illegale Einreise und illegaler Aufenthalt", erklärte de Maizière. Diese Verfahren würden im Zuge des Asylverfahrens eingestellt.

Rechnet man ausländerrechtliche Verstöße aus der Kriminalstatistik heraus, ist die Zahl der Straftaten 2015 auf dem Niveau des Vorjahres geblieben, nämlich bei knapp 5,93 Millionen. Unter den zwei Millionen Tatverdächtigen hatte gut ein Viertel keine deutsche Staatsbürgerschaft. Nichtdeutsche seien vor allem bei Urkundenfälschung, Diebstählen und Einbrüchen überrepräsentiert, sagte de Maizière; verhältnismäßig selten vertreten seien sie bei Kindesmissbrauch, Sachbeschädigung und Wirtschaftskriminalität. Erstmals haben die Behörden in diesem Jahr Straftaten von Asylbewerbern, Geduldeten und anerkannten Kontingent- und Bürgerkriegsflüchtlingen gesondert ausgewertet. 5,7 Prozent aller Tatverdächtigen gehörten im Jahr 2015 zu dieser Gruppe.

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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