Kriminalität:Endstation für Schleuser

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Allein in Bayern sitzen 713 Menschenschmuggler in Untersuchungshaft. Auf die Justiz rollt eine Prozesslawine zu.

Von Annette Ramelsberger, München

Der Freistaat Bayern ist die erste Anlaufstelle der Schleuser, die Flüchtlinge über den Balkan nach Deutschland bringen. Hier setzen sie die Menschen oft neben der Autobahn aus, hier aber werden auch die meisten Schleuser festgenommen. Einer fuhr seine menschliche Fracht direkt an den Bahnhof der Grenzstadt Passau, offenbar ohne zu wissen, dass dort bis vor Kurzem noch die Bundespolizei ihren Standort hatte. Die nahm den Schleuser umgehend fest.

Derzeit sitzen allein in Bayern 713 Schleuser in Untersuchungshaft und warten auf ihren Prozess. Nach Auskunft des bayerischen Justizministeriums ist die Zahl sprunghaft gestiegen: 2012 wurde gegen 641 Schleuser ermittelt, 2013 waren es 990 und im Jahr 2014 schon 1606. Und im Jahr 2015 sind bereits im ersten Halbjahr fast so viele Ermittlungsverfahren eingeleitet worden wie 2014 im ganzen Jahr.

Unter den Fällen, in denen die bayerische Polizei ermittelt, ist auch ein 29 Jahre alter Bulgare mit dem Namen Metodi G. Er soll auch bei dem tödlichen Transport von 71 Menschen in einem Kühlwagen beteiligt gewesen sein, der vergangene Woche im österreichischen Burgenland am Rande der Autobahn gefunden worden war. Die Staatsanwaltschaft Deggendorf bestätigte einen Bericht von Spiegel Online, dass der Bulgare schon mehrmals in Deutschland aufgefallen war: wegen Fahrens ohne Führerschein. Und im Juli, als die Polizei auf der A 3 bei Hengersberg einen Klein-Transporter aufhielt - mit 38 afghanischen Flüchtlingen im Laderaum. Der Fahrer flüchtete und konnte nicht gestellt werden. Die Kurzzeitzulassung des Wagens lautete auf Metodi G. Oberstaatsanwalt Peter Wiesenberger von der Staatsanwaltschaft Deggendorf will seine Ermittlungsergebnisse nun mit den österreichischen und ungarischen Behörden teilen, die sich um den Fall der 71 erstickten Flüchtlinge kümmern.

In den grenznahen Städten wie Passau, Traunstein oder Rosenheim kommen Polizei und Justiz kaum mehr mit den Ermittlungen gegen Schleuser hinterher. Allein in Passau wird gegen 350 Schleuser ermittelt, das örtliche Gefängnis fasst aber nur 75 Häftlinge. Die Schleuser werden über das ganze Bundesland verteilt. Fast immer sind die Schleuser auf der letzten Etappe der Fluchtstrecke ungarische Bürger. Die Fahrt beginnt in Budapest und endet kurz nach der deutschen Grenze. Oberstaatsanwältin Ursula Raab-Gaudin aus Passau hat es mit Schleusern zu tun, die aus dem fahrenden Auto springen, wenn sie die Polizei sehen, und ihren Transporter mit 20 Flüchtlingen in den Straßengraben rollen lassen. Zwischen Budapest und Passau werde nicht haltgemacht, auch nicht für die Notdurft, sagt Raab-Gaudin. Manche hätten Tüten dafür dabei. "Die Menschen werden behandelt wie Vieh." In jedem Fall, in dem eine Gefährdung des Lebens der Flüchtlinge vorliegt, fordert die Staatsanwaltschaft Haftstrafen ohne Bewährung - sonst seien die Schleuser sofort auf und davon. Es rollt nun eine ganze Welle von Prozessen an. Allein in Bayern wurden dieses Jahr bisher mehr als 500 Anklagen erhoben.

© SZ vom 02.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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