Krieg im Kongo:Belagerter Zufluchtsort

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Im Osten des Kongo rücken die Tutsi-Rebellen bis zu der Provinzhauptstadt Goma vor - für viele Menschen der letzte Schutzort. Die UN-Friedenstruppe gerät indes zwischen die Fronten.

Arne Perras

Die Frauen hasten nun wieder davon. Es sind Tausende. Ihre Kinder haben sie auf den Rücken gebunden, links und rechts tragen sie Körbe, Tüten und Kanister. Und oben auf dem Kopf schaukeln sie noch ein schweres Paket, wenn sie können. Sie alle fliehen vor dem Krieg, der in den Hügeln tobt und immer näher heranrückt an die Stadt Goma, im Osten des Kongo.

Treck der Angst: Tausende Menschen fliehen im Kongo in der Nähe von Goma vor den Kämpfen zwischen Tutsi-Rebellen und den Truppen der Regierung. (Foto: Foto: AP)

Die Tutsi-Rebellen des Laurent Nkunda sind auf dem Vormarsch, sie drängen die Armee von Präsident Joseph Kabila zurück. Die UN-Friedenstruppe Monuc, die mit 17 000 Soldaten im Kongo stationiert ist, stellt sich den Aufständischen entgegen. Sie will verhindern, dass die Rebellen Goma besetzen. Vielen Vertriebenen gilt die Stadt als letzte Zuflucht. 20.000 Menschen sind schon hereingeströmt. Doch ob sie hier sicher sind, ist ungewiss.

Fiele die Provinzhauptstadt Goma in die Hände der Rebellen, wäre dies ein Schlag für den Präsidenten in Kinshasa, der bei den Wahlen 2006 im Osten des Landes fast alle Stimmen bekam und nun doch keinen Frieden schaffen kann. Kabila plant schon seit längerem, die Rebellen des Tutsi-Generals Nkunda zu besiegen - trotz der Schwäche der Armee, die disziplinlos und miserabel bezahlt ins Feld geschickt wird.

Auf Berater, die an Kabilas Strategie zweifeln, hört der Präsident nicht. Schon mehrfach hat er bei seinen Offensiven herbe Rückschläge erlitten, Waffen fielen in die Hände des Gegners. Zwar haben sich die Konfliktparteien im Januar unter dem Druck des Auslands auf ein Friedensabkommen geeinigt, doch Nkunda ist aus dem Deal wieder ausgestiegen. Er wirft Kabila vor, sich nicht an die Regeln zu halten. So ist der Ostkongo wieder in einen Krieg gestürzt, von dem niemand weiß, wie weit er noch eskaliert.

Am Dienstag flammten erneut Kämpfe um den Ort Rutshuru auf, nahe der ugandischen Grenze. Am Wochenende hatten die Rebellen den Armeestützpunkt Rumangabo erobert und die Kontrolle über das Hauptquartier des Virunga-Parks übernommen, einem der letzten Lebensräume für bedrohte Berggorillas. Nördlich von Goma feuerten UN-Kampfhubschrauber auf Nkundas Kämpfer, zuvor hatte die Monuc bei einer Rebellenattacke zwei gepanzerte Fahrzeuge verloren. "Wir können es nicht zulassen, dass Bevölkerungszentren gefährdet werden", sagte Alan Doss, UN-Chef im Kongo. "Wir mussten eingreifen." Die UN gibt sich entschlossen, doch Nkundas Kämpfer sind stark.

Seitdem die Gewalt im August wieder ausgebrochen ist, wurden etwa 200.000 Menschen vertrieben. Viele fliehen in das Nachbarland Uganda, wo sie auf Schutz und Hilfe hoffen. Für die Friedenstruppen der Monuc ist die Lage kompliziert. Anfang dieser Woche attackierten wütende Demonstranten das UN-Hauptquartier in Goma.

Die Menschen werfen den Vereinten Nationen vor, sie nicht zu schützen. Zwar sind die Peacekeeper aktiver als noch vor einigen Jahren, doch Zivilisten leiden weiter unter der Gewalt bewaffneter Einheiten aus allen Lagern. Die Gruppe Nkundas wirft den Peacekeepern ihrerseits Parteilichkeit vor, weil die Friedenstruppe an der Seite der Armee gegen die Rebellen kämpft. Damit kann die Monuc ihre Rolle als Vermittler kaum noch erfüllen.

Rebellenchef Nkunda behauptet, seine Milizen müssten die Tutsi-Minderheit im Ostkongo gegen Hutu-Extremisten der Gruppe FDLR schützen, von denen manche 1994 am Völkermord in Ruanda beteiligt waren. Kabilas Armee arbeitet mit diesen Hutu-Milizen zusammen und befeuert so Nkundas Rebellion. Wie gefährlich die FDLR-Kämpfer für die Tutsis im Kongo sind, ist umstritten. Womöglich nutzt Nkunda sie als Vorwand, um seine Position zu festigen.

© SZ vom 29.10.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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