Konvertierte Muslimin in den USA:Die neue Heldin der Fundamentalisten

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In den USA konvertiert eine 17-jährige Muslimin zum Christentum und flieht von zu Hause - die christliche Rechte bejubelt sie.

Reymer Klüver

Vielleicht hat es tatsächlich etwas mit Florida zu tun. Vor einem Jahrzehnt spielte dort das Drama um den kleinen Elian Gonzalez, einen Flüchtlingsjungen aus Kuba, dessen Mutter bei der Überfahrt umgekommen war und den der Vater zurück auf die Insel haben wollte. Was eigentlich eine Sache der Familienzusammenführung war, wuchs sich zu einer von der Nation atemlos verfolgten Schicksalsfrage aus: Freiheit oder Unterdrückung lautete die krude Alternative.

Rifqa Bary liest bei Gericht in der Bibel. (Foto: Foto: AP)

Vor vier Jahren dann der Fall Terri Schiavo, jener hirntoten jungen Frau, deren Mann sie nach Jahren künstlicher Ernährung sterben lassen wollte. Auch aus dieser sehr privaten Tragödie wurde ein nationales Drama: Von christlichen Fundamentalisten angestachelt, versuchten Republikaner im Kongress in Washington per Resolution das Abschalten der Geräte zu verhindern. Nun droht in Florida ein neuer Kulturkampf, der das gesamte Land in Aufruhr versetzen könnte. Wieder stehen christliche Fundamentalisten in der ersten Reihe. Und die Politik hat sich auch schon eingeschaltet.

Kein Einzelfall

Im Mittelpunkt der neuen Saga steht ein scheues, 17 Jahre altes Mädchen aus Columbus im Bundesstaat Ohio, das von zu Hause weggelaufen ist. So etwas ist in Amerika alltäglich: Jedes Jahr, so Schätzungen des National Runaway Switchboard, einer Hilfsorganisation für Jugendliche, laufen zwischen 1,6 und 2,8 Millionen Kinder in den USA fort. Doch dieser Fall ist besonders: Rifqa Bary, die 17-Jährige aus Columbus, ist eine zum Christentum konvertierte Muslimin.

Sie behauptet, geflohen zu sein, weil ihr aus Sri Lanka stammender Vater sie deswegen umbringen will. Und sie ist nicht einfach ziellos abgehauen, sondern hat bei einem Pastorenpaar in Orlando in Florida Zuflucht gesucht: Beverly und Blake Lorenz leiten dort die evangelikale Global Revolution Church. Rifqa hatte sie im Internet kennengelernt und vor ihrer Flucht mit ihnen telefoniert.

Erst zwei Wochen nachdem sie das Mädchen aufgenommen hatten, unterrichtete der Pastor die Behörden und Rifqas Eltern, die bis dahin kein Lebenszeichen von ihrer Tochter hatten. Zugleich arrangierte er ein Fernsehinterview mit einer örtlichen TV-Station. Dort erzählte Rifqa, in weißem Kleid und mit einem silbernen Kreuz um den Hals, mit stockender Stimme, dass ihr Vater sie wegen ihrer Konversion "töten oder zurück nach Sri Lanka schicken" wolle. "Wenn du diesen Jesus im Herzen hast, bist du für mich gestorben", soll er gebrüllt haben. Unter Tränen fügte Rifqa hinzu, die Frau des Pastors immer neben sich: "Sie müssen mich töten. Ich will nur zu Jesus beten. Ich will nicht sterben."

Aus dem Internet in die Welt

Das Interview fand via YouTube den Weg ins Internet und machte Rifqas Fall rasch zu einer aufsehenerregenden Angelegenheit für christliche Fundamentalisten. Auf evangelikalen Internetseiten wird massiv dafür geworben, dass die Minderjährige bei dem Pastorenpaar in Florida bleiben kann. Floridas Gouverneur Charlie Crist, ein Republikaner, erhielt Hunderte E-Mails und Faxe, in denen er aufgefordert wurde, zu verhindern, dass das Mädchen zu ihren Eltern zurückgeschickt wird. Der konservative Fernsehsender Fox News rief seine Zuschauer ebenfalls auf, Crist E-Mails zu schreiben. Mit Erfolg: Der Gouverneur, der im kommenden Jahr zum Senator gewählt werden möchte, erklärte, dass er für "Rifqas Sicherheit" kämpfen werde. Vor Gericht hat Floridas Jugendbehörde auf Weisung Crists durchgesetzt, dass Rifqa bis auf weiteres in Florida bleiben kann.

Rifqas Vater Mohamed Bary, ein Juwelier, bestreitet die Todesdrohung gegen seine Tochter und jeden islamistischen Hintergrund. Tatsächlich gibt es nach Recherchen von US-Medien dafür keinerlei Anhaltspunkte. Der Mann ist weder wegen häuslicher Gewalt noch extremistischer Äußerungen aufgefallen. Rifqa war vielmehr eine der Cheerleader bei den Spielen der Football-Mannschaft ihrer Highschool, bei der die Mädchen in äußerst knappen Röcken auftreten.

Im Gegenteil wird in vielen amerikanischen Medien die Frage aufgeworfen, ob nicht Rifqas Gasteltern sie zur Flucht angestachelt haben. Und der Anwalt der Familie, Craig McCarthy, beklagt die Politisierung des Falles: "Die Familie ist schon von denen missbraucht worden, die diesen Fall auf unverantwortliche Weise zu einem Kampf der Religionen machen wollen. Der Gouverneur sorgt nun dafür, dass diese Familienangelegenheit zu einem politischen Streitfall wird."

Schwere Geschütze

Rifqas Anwalt John Stemberger wiederum, selbst ein evangelikaler Aktivist, fährt das schwerste Geschütz im Kulturkampf christlicher Fundamentalisten gegen die angebliche islamische Bedrohung Amerikas auf: al-Qaida. Eine der weltweit größten Zellen der Terror-Organisation, behauptet der Anwalt, habe einst von derselben Moschee aus operiert, der auch Rifqas Eltern angehören, dem Noor Islamic Cultural Center.

In der Tat gab es in der Hauptstadt des Bundesstaates Ohio einen Zirkel radikaler Islamisten, die an Planungen für Anschläge auf ein Einkaufszentrum dort und auf die Brooklyn Bridge in New York beteiligt waren. Drei Männer aus Columbus sitzen deswegen in Haft. Allerdings waren sie nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht Mitglied der Noor-Moschee.

Doch das scheint Stemberger nicht weiter zu bekümmern. Mitglieder der Gemeinde hätten Rifqas Vater aufgefordert, behauptet er unverdrossen, "die Sache sofort in Ordnung zu bringen". Das Mädchen sei "unmittelbar an Leib und Leben bedroht von der extrem radikalen muslimischen Gemeinde ihrer Heimatstadt Columbus". Wer konkret Todesdrohungen gegen Rifqa geäußert habe, konnte der Anwalt indes nicht sagen. "Die gesamten Umstände stellen eine Gefahr für sie dar."

Am Donnerstag wird der Fall wieder vor dem Jugendgericht in Orlando verhandelt. Es dürfte nicht der letzte Akt in dem Drama bleiben.

© SZ vom 2.9.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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