Konflikt im Kaukasus:Tief in der Krise

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Nach dem Krieg im Kaukasus wächst der Riss zwischen Russland und dem Westen. Während Russlands Präsident Medwedjew Georgiens Einheit infrage stellt, verlangten Kanzlerin Merkel und US-Präsident Bush eine Garantie der Grenzen. Bush wirft Moskau Schikane vor.

Stefan Kornelius

Wenige Stunden nach dem Ende der Kämpfe in Südossetien hat Russland den Fortbestand Georgiens in seinen alten Grenzen in Frage gestellt. Präsident Dmitrij Medwedjew sagte am Freitag, es sei unwahrscheinlich, dass die abtrünnigen Provinzen Abchasien und Südossetien jemals wieder Teil Georgiens werden wollten. Der amerikanische Präsident George W. Bush und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel verlangten hingegen eine Grenzgarantie von der russischen Regierung und sprachen von "Schikane" und "Unverhältnismäßigkeit".

Russlands Präsident Medwedjew und die deutsche Kanzlerin Merkel in Sotschi während ihres Gesprächs über den Kaukasus-Konflikt. (Foto: Foto: dpa)

Das Klima zwischen Russland und dem Westen verschlechterte sich rapide, befeuert auch von der Entscheidung Polens, eine US-Raketenabwehr zu stationieren. Die Stunden nach Ende der Kämpfe waren von einem erbitterten diplomatischen Ringen um einen Waffenstillstandsplan gezeichnet, in dem auch eine Aussage über den Bestand des Staates Georgien getroffen werden sollte. US-Außenministerin Condoleezza Rice verhandelte in Tiflis über Feinheiten des Plans, der in groben Zügen vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy mit den Konfliktparteien verabredet worden war.

US-Präsident Bush wirft Moskau "Schikane und Einschüchterung" vor

Europa und die USA wollten Russland das Recht zugestehen, Truppen in Südossetien und Abchasien zu belassen, allerdings eine Pufferzone von zehn Kilometern auf georgischem Kerngebiet wieder zu räumen, sobald eine internationale Friedenstruppe in das Gebiet einrückt. Im Gegenzug sollte Russland die territoriale Integrität Georgiens anerkennen, also einer Abspaltung von Südossetien und Abchasien abschwören.

Medwedjew machte mit seinen Worten deutlich, dass er diesem Plan geringe Chancen gibt. Nach einem Treffen mit Merkel in der Schwarzmeerstadt Sotschi bezeichnete er Russland als Sicherheitsgarant für Südossetien und Abchasien und erklärte, dass er den Bestand des georgischen Staates in seinen heutigen Grenzen für unwahrscheinlich halte. Merkel pochte hingegen auf die souveränen Rechte Georgiens und kritisierte Medwedjew für die Unverhältnismäßigkeit des russischen Einsatzes. Merkel verlangte eine nachhaltige Lösung des Kaukasus-Konflikts. "Wir können nicht wieder 15 Jahre verstreichen lassen, ehe hier stabile Lösungen gefunden werden", sagte sie.

In Washington wählte Präsident Bush zum zweiten Mal innerhalb von 48 Stunden harsche Worte und warf Russland "Schikane und Einschüchterung" vor. Der Kalte Krieg sei vorbei. Auch Bush forderte den Erhalt des georgischen Staates und den Abzug russischer Truppen. Er sprach von einem streitsüchtigen Verhalten Moskaus.

Das Klima zwischen den USA und Russland hatte sich in kürzester Zeit rapide verschlechtert, wobei Washington offenbar nach Mitteln sucht, Moskau zu isolieren. Verteidigungsminister Robert Gates, der mehrfach mit Moskau über ein gemeinsames Raketenschild und Abrüstungsprogramme verhandelt hatte, sagte, das russische Verhalten stelle "die gesamte Grundlage" der Beziehungen in Frage. In Brüssel wurde von amerikanischer Seite erwogen, den Nato-Russland-Rat aufzulösen. Ein gemeinsames Manöver wurde bereits abgesagt.

Die Situation wurde durch die plötzliche Zustimmung der polnischen Regierung zur Stationierung des amerikanischen Raketenabwehrsystems verschärft. Warschau willigte nach zweijährigen Verhandlungen ein, weil "die Erfahrung der jüngsten Tage zeige, dass unser Territorium im Falle eines Konflikts geschützt werde", wie Ministerpräsident Donald Tusk sagte. Die Entscheidung löste in Moskau Empörung aus. Ein hoher General sagte, dieser Schritt "könne "nicht ungestraft bleiben".

© SZ vom 16.08.2008/buma - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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