Kommentar:Machtlos in Kinshasa

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Im Kongo eskaliert die Gewalt - und auch die Soldaten der EU werden daran nichts ändern können. Durch ihre halbherzige Politik wird sogar die gesamte EU Schaden nehmen.

Stefan Kornelius

Im Kongo ist genau das Szenario eingetreten, vor dem sich die internationalen Truppen am meisten fürchten müssen. Die Hauptstadt Kinshasa fällt zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang in einen Zustand des Unfriedens, nicht aber des offenen Bürgerkrieges.

Bundeswehrsoldat am Flughafen von Kinshasa: Entwicklungsprojekt europäischer Sicherheitspolitik nimmt keine gute Entwicklung. (Foto: Foto: dpa)

Es kommt zu Scharmützeln, es werden selbst Botschafter angegriffen - offenbar von den Garden des amtierenden Präsidenten sogar. Das ist dreist und zeigt, dass die lächerlich kleine EU-Truppe von 2000 Soldaten aus 18 Nationen einen friedlichen Wahlprozess nicht garantieren wird und am Ende höchstens sich selbst und ein paar Emissäre retten kann.

Nach der ersten Wahlrunde stehen sich zwei höchst rivalisierende Lager in der Stichwahl gegenüber. In einem Klima aus Verdächtigungen und Gerüchten reichen Banalitäten, um Gewalt auszulösen. Was genau zum Beschuss der Botschafter in der Residenz des Präsidentschaftskandidaten Jean-Pierre Bemba führte, ist unklar.

Der Zwischenfall zeigt aber, dass im Zuge der Machtverteilung der Einfluss von außerhalb des Landes kleiner und kleiner wird. Wer auf Botschafter schießt, schert sich auch nicht um eine verschwindend kleine Truppe, die in diesem Klima der Aggression nicht mal zur Abschreckung taugt, auch wenn sie jetzt in den Straßen patrouilliert.

Hilflos und unglaubwürdig

Das Prestigeprojekt europäischer Sicherheitspolitik nimmt keine gute Entwicklung. Noch ist nicht absehbar, ob der Prozess der Demokratisierung seine Friedfertigkeit zurückgewinnt, oder ob die Spannung steigt und die Gewalt eskaliert. Appelle an das Verantwortungsbewusstsein der Kandidaten klingen aber hohl.

Herausforderer Bemba und Präsident Joseph Kabila entscheiden nach anderen Kriterien, ob sie die Terrier von der Leine lassen. Die EU wird am Ende zuschauen - hilflos und unglaubwürdig.

Unglaubwürdig deshalb, weil die politischen Fraktionen im Kongo schon vor dem Ausbruch der Gewalt die internationalen Kräfte bewusst in ihrem Wahlkampf instrumentalisiert haben. Bembas Anhänger unterstellen der EU (und vor allem Frankreich) Sympathien für Kabila. Kabilas Leute wiederum werden nach dem Vermittlungstreffen der Botschafter bei Bemba Parteinahme zugunsten des Herausforderers diagnostizieren. Aus dieser Zwickmühle führt kein Weg.

Für die EU gibt es in diesem Klima wenig zu gewinnen. Noch ist nicht absehbar, ob die Stimmung weiter eskaliert, oder ob sich lediglich die im Wahlprozess aufgeladene Spannung entlädt und es bei ein paar Scharmützeln bleibt. Deutlich ist aber jetzt bereits, dass die internationalen Einheiten die Richtung nur unzureichend beeinflussen können.

Dafür sind zu wenige Soldaten in Kinshasa. Und dafür reicht das defensive Mandat auch nicht, das eine gewaltgetränkte Gesellschaft nicht beeindruckt.

Schaden nehmen wird die EU samt ihrer Außenpolitik, die Gutes will, aber halbherzig agiert. Kongo und nun Libanon - die Fehler wiederholen sich.

© SZ vom 23.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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