Kleinwaffen aus Deutschland:Blutige Exportschlager

China liefert offenbar Waffen an den Sudan. Doch dass dort und in anderen Krisengebieten auch mit deutschen Sturmgewehren geschossen wird, bleibt dagegen von der Öffentlichkeit unbeachtet.

Sarah Schuhen

Chinesische Waffen in den Händen von Rebellen im Bürgerkriegsland Sudan - die Bilder der BBC gingen am Montag um die Welt. Darauf zu sehen sind chinesische Lkw, ausgerüstet mit Flugabwehrgeschützen. Laut Berichten von unabhängigen Zeugen erbeuteten Rebellen die chinesischen Waffen von sudanesischen Regierungstruppen.

Kleinwaffen aus Deutschland: Flüchtlinge in Darfur, die 2004 den Dschandschawid-Milizen entkommen konnten

Flüchtlinge in Darfur, die 2004 den Dschandschawid-Milizen entkommen konnten

(Foto: Foto: AFP)

Zudem fanden die Reporter heraus, dass die Volksrepublik im Sudan Piloten in chinesischen Kampflugzeugen ausbildet. Die internationale Gemeinschaft ist aufgeschreckt: China scheint das seit 2005 gültige UN-Waffenembargo gegen den Sudan gebrochen zu haben. Zwar bestreitet Peking das, doch die Bilder sprechen für sich. Aber im Sudan wird nicht nur mit chinesischen Waffen gekämpft: Tod und Schrecken in der Zivilbevölkerung verbreiten vor allem die Sturmgewehre der Marke Kalaschnikow - und die des deutschen G3 des Rüstungsunternehmens Heckler und Koch aus Oberndorf am Neckar.

Das G3 zählt zu den Kleinwaffen. Darunter fallen alle Arten von Gewehren und Maschinenpistolen. Sie kommen überwiegend in Bürgerkriegen und bei Guerrillas zum Einsatz. Kenia, Ruanda, Sudan - all diesen blutigen Konflikten ist gemeinsam, dass sie in erster Linie mit solchen Kleinwaffen ausgetragen wurden. International befindet sich die Aufrüstung mit Kleinwaffen in vollem Gange.

Spätfolgen des Kalten Krieges

Für die modernen Kriege braucht man diese beweglichen, tragbaren Sturmgewehre. Weil die Bedrohung durch diese Waffen immer weiter zunimmt, tagte in dieser Woche eine UN-Konferenz, auf der sich die Teilnehmer mit dem Gebrauch und Handel von Kleinwaffen beschäftigten. Es sollten striktere Exportstandards und ein härteres Vorgehen gegen den Schwarzmarkt verbindlich für die UN-Mitgliedsstaaten festgeschrieben werden. "Wir sorgen uns oft um Massenvernichtungswaffen", sagte der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan, der die Konferenz angeregt hatte. "Aber das große Töten - ob in Darfur, im Kongo oder sonstwo - geschieht durch Kleinwaffen."

Deutschland zählt international zu den Hauptexporteuren dieser Waffen. Das geht aus dem jährlichen Bericht über Kleinwaffen hervor, den das Genfer Institut für Internationale- und Entwicklungsstudien nun in New York bei den Vereinten Nationen vorgestellt hat. Insgesamt führte Deutschland laut des letzten Rüstungsexportberichts aus dem Jahr 2006 Kleinwaffen und die entsprechende Munition im Wert von 37,28 Millionen Euro aus.

Zwar muss jede Ausfuhr von Waffen vom Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (Bafa), das dem Bundeswirtschaftsministerium untersteht, genehmigt werden. Doch oft sind die Lizenzen für den Kleinwaffenbau schon längst ins Ausland gewandert.

"Die Probleme, die wir heute mit Kleinwaffen haben, sind ganz eindeutig noch die Folgen des Kalten Krieges", sagt Wolf-Christian Paes, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Internationalen Konversionszentrum (BICC), einer Organisation, die sich für die Umwidmung ehemals militärisch genutzter Potentiale für zivile Aufgaben, der so genannten Konversion, einsetzt.

In den achtziger Jahren wurde angesichts der nuklearen Bedrohung die Gefahr der Kleinwaffen unterschätzt - und wohl auch wirtschaftlichen Interessen der Waffenlobby untergeordnet. Allein von dem G3-Sturmgewehr sind nach Ansicht von Experten weltweit zwischen sieben und zehn Millionen Exemplare im Umlauf.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso Iran ein deutsches Gewehr exportieren kann ...

Blutige Exportschlager

"Die G3 ist so etwas wie der Mercedes unter den Kleinwaffen", sagt Roman Deckert vom Berliner Informationszentrum für transatlantische Sicherheit (BITS), einem unabhängigen Forschungsinstitut, das sich auf Themen der Rüstungskontrolle und Abrüstung spezialisiert hat.

Kleinwaffen aus Deutschland: Bundeswehr-Rekruten beim Laden ihrer G3-Gewehre im Jahr 2002

Bundeswehr-Rekruten beim Laden ihrer G3-Gewehre im Jahr 2002

(Foto: Foto: dpa)

Auf dem Umweg über Iran landeten die deutsche Gewehre auch im Bürgerkriegsland Sudan: 1967 erwarb Iran eine Lizenz für die Sturmgewehre von Heckler und Koch. Damals regierte noch der Schah und das Land zählte noch zu den Freunden des Westens. Nach Erkenntnis der Gesellschaft für bedrohte Völker lieferte Teheran 1991 dann 50.000 solcher Gewehre in den Sudan. Und nicht nur nach Iran ging die Lizenz für den Nachbau des G3, sondern auch an Staaten wie Pakistan, Saudi-Arabien und Birma. Für Iran ist das G3 mittlerweile zu einem der erfolgreichsten Exportprodukte geworden.

Insgesamt sind weltweit etwas 875 Millionen Kleinwaffen im Umlauf, so die Genfer Studie, die bei den UN vorgestellt wurde. Jährlich verschwinden etwa 650.000 Waffen, die nicht dem Militär gehören, in unbekannten Kanälen - darunter kleine Bestände an Handfeuerwaffen oder tonnenweise auch militärisch taugliche Waffen, wie Maschinengewehre und leichte Mörser. Hauptabnehmer seien etwa afghanische Untergrundkämpfer und kolumbianische Rebellen.

Auch nach Sri Lanka und in den Irak oder in mit einem Waffenembargo belegte Länder wie Somalia und Liberia gelangten die Schusswaffen. "Diese Umleitung ist besonders gefährlich, weil sie große Waffenmengen zu Einzelpersonen und Gruppen lenken kann, die damit Zivilisten schikanieren", sagte der Leiter der Studie, Keith Krause. Nach diesem Bericht verschwinden die Waffen zumeist aus staatlichen oder zivilen Lagern durch Fahrlässigkeit.

Auch die deutschen G3-Gewehre aus Iran sind im Sudan wohl auf diese Art und Weise in Umlauf gekommen. Ursprünglich war das sudanesische Militär damit ausgestattet worden. "Nach und nach haben sie die Waffen dann an die Reitermilizen weitergegeben", so Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker. Ihm liegen Augenzeugenberichte vor, die bestätigen, dass die berüchtigten Reitermilizen bei ihren Überfällen auf Dörfer in Darfur mit den G3 ausgerüstet waren.

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Blutige Exportschlager

Mareike Schomerus, die für die Genfer Forschungsgruppe im Südsudan unterwegs war, hat diese Gewehre dort mit eigenen Augen gesehen: "Es ist fast unmöglich zu sagen, welches Produkt bei wem landet, ohne wirklich direkt eine Waffenübersicht zu machen", sagt sie. Doch das ist angesichts des florierenden Schwarzhandels mit Waffen schwierig.

Vor der Konferenz war die Stimmung unter den Teilnehmern verhalten: "Alles, was den Prozess jetzt wieder anschiebt, ist gut", sagt der Friedensforscher Paes. Zwar setzt sich Deutschland bei den Vereinten Nationen stark für eine solche Abrüstung ein, doch viele NGOs wünschen sich, dass Berlin die Verantwortung für die frühere Waffengeschäfte übernimmt.

Strengere Regeln für Lizenzgenehmigungen gefordert

Die Auflagen des Bundesamtes für Ausfuhrkontrolle sind streng: Waffen dürfen nur dann ausgeführt werden dürfen, wenn der Endverbleib der heiklen Ware in den Empfängerländern sichergestellt ist. Das bedeutet, dass die Waffen nicht an Dritte weitergegeben werden dürfen.

Diese Regelung greift jedoch nicht bei der Lizenzgenehmigung, die auch nicht zurückgenommen werden kann. Deswegen fordern Experten wie der Brite Steve Wright deswegen schon lange, dass alle Verträge über Lizenzproduktionen denselben strikten Auflagen unterliegen müssten, wie beim direkten Export.

Im Fall der deutschen G3 im Sudan kommen solche Überlegungen indes zu spät: "Eine rückblickende Bewertung, was vor 17 Jahren hätte entschieden werden können, ist angesichts der geänderten politischen Verhältnisse nicht möglich", so das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle zu sueddeutsche.de.

Mehr Transparenz bei solchen Transaktionen wünschen sich die NGOs. Das könnte indes schwer werden: Der Bericht der Bundesregierung über den Rüstungsexport wird seit Jahren nicht mehr im Bundestag debattiert.

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