Katholische Kirche:Ich schau' dann mal weg

Lesezeit: 1 min

Im Missbrauchs-Skandal belastet ein neuer Bericht das Bistum Hildesheim. Bei Beschwerden gegen einen ehemaligen Jesuitenpater habe es ein "Muster des Wegschauens" gegeben, stellen die Münchner Autoren des Gutachtens fest.

Von Matthias Drobinski, München

Das katholische Bistum Hildesheim und der Jesuitenorden haben im Fall des suspendierten Priesters Peter R. über Jahrzehnte weggeschaut, wenn Berichte über sexuelle oder sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen auftauchten. Zu diesem Ergebnis kommt das unabhängige Münchner Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP), das vor allem den Vorwürfen gegen den suspendierten Priester R. und den 1988 verstorbenen Hildesheimer Bischof Heinrich Maria Janssen nachgegangen ist. Die Vorwürfe gegen den Bischof, er habe sich von 1958 bis 1963 an einem Ministranten vergangen, hätten mehr als 50 Jahre später weder bewiesen noch entkräftet werden können, so das IPP-Gutachten.

Vor allem bei dem ehemaligen Jesuiten R. hätten das Bistum und der Jesuitenorden ein "Muster des Wegschauens" entwickelt und wissentlich in Kauf genommen, dass Kinder und Jugendliche gefährdet wurden, sagte der Gutachter Peter Mosser bei der Vorstellung des Berichts am Montag in Hildesheim. Peter R. ist auch für zahlreiche Übergriffe am Berliner Canisius-Kolleg verantwortlich, deren Bekanntwerden 2010 den bundesweiten Skandal um sexuelle Gewalt vor allem in der katholischen Kirche auslöste. Als er in den Achtzigerjahren im Jesuitenkolleg nicht mehr haltbar erschien, kam er ins Bistum Hildesheim und wurde dort immer wieder versetzt, wenn Vorwürfe gegen ihn auftauchten. Das Team um Mosser konnte insgesamt elf Fälle sexualisierter Gewalt nachweisen; sechs davon seien den damaligen Bistumsverantwortlichen bekannt gewesen. Keine Gemeinde, in die R. versetzt wurde, sei über die Gefahr informiert worden, die von dem Mann ausgehe. Noch beim bislang jüngsten, 2015 bekannt gewordenen Fall einer Frau, die als 14-Jährige das Opfer von R. wurde, habe es zahlreiche Versäumnisse gegeben.

Juristisch sind alle Fälle mittlerweile verjährt. Der Hildesheimer Weihbischof Nikolaus Schwerdtfeger sagte, es sei ein kirchenrechtliches Verfahren eingeleitet worden. Der Weihbischof bat die Opfer und ihre Angehörigen um Vergebung: "Die eigene Schuld und das eigene Versagen lasten auf uns." Das IPP, das auch schon Missbrauchsfälle im Internat Ettal und an der Odenwaldschule aufarbeitete, empfahl der katholischen Kirche mehr Offenheit und eine weitere Professionalisierung im Umgang mit Missbrauchsfällen.

© SZ vom 17.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: