Katholische Kirche:Alles, was weh tut

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Auch in Peru wird der Papst bei seiner Südamerikareise den Fokus auf Indigene richten - und Missbrauchsopfer des Klerus treffen.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Es heißt, dieser Papst gehe auch dahin, wo es wehtut. Das lässt sich nicht bestreiten. Er hat sich dieser Tage mit Missbrauchsopfern des chilenischen Klerus getroffen. Er besuchte die Mapuche im Süden des Landes, die seit Generationen die Rückgabe ihrer ursprünglichen Siedlungsgebiete fordern. Er hielt eine Messe am Flughafen von Temuco, wo während der Pinochet-Diktatur Regimekritiker gefoltert wurden. Franziskus nahm sie alle explizit in seine Gebete auf. Auch bei seiner sechsten Lateinamerika-Reise geht er bislang keinem heiklen Thema aus dem Weg. Und das Thema, das ihn wohl am meisten schmerzt, wartet noch auf ihn.

An diesem Freitag wird er im peruanischen Puerto Maldonado erwartet, mitten im amazonischen Regenwald. Oder dem, was davon übrig ist. Schon beim Landeanflug wird der Papst trockene Einöden erblicken, Spuren der "Zivilisation der Zerstörung", wie er es nennen würde. Der Klimawandel, die Holzfällerindustrie und vor allem illegale Goldgräber haben hier ganze Zerstörungsarbeit geleistet. In der Gegend um Puerto Maldonado, Hauptstadt der Provinz Madre de Dios (Mutter Gottes), sind die Flüsse und damit die Fische sowie die hauptsächlich Fisch essenden Menschen mit überdurchschnittlich hohen Quecksilberwerten belastet. Der Goldrausch verseucht den Regenwald. Oder, um den Papst zu zitieren: "Die Wirtschaft tötet."

Weicht keinem Thema aus: Franziskus bei einer Messe in Chile. Die Hymne für ihn, „Mi paz les doy“ – Meinen Frieden gebe ich ihnen – ist dort ein Hit. (Foto: Vincenzo Pinto/AFP)

Franziskus hat mehrere Tausend Vertreter von indigenen Amazonas-Völkern an diesen Ort eingeladen. Sie reisen aus entlegenen Teilen Perus an, aber auch aus Bolivien, Kolumbien und Brasilien. Der brasilianische Kardinal Claudio Hummes nannte dieses Treffen "historisch". Franziskus wird die Ausbeutung des Regenwaldes und seiner ursprünglichen Bewohner wohl nicht aufhalten könnten. Aber er lenkt zumindest die Augen der Welt auf ein immer noch weitgehend unterschätztes Desaster.

"Wir müssen die Denkweise ablegen, dass es höhere und niedere Kulturen gibt."

Jüngere Forschungsarbeiten legen nahe, dass der amerikanische Kontinent bis 1491, also kurz bevor Kolumbus versehentlich landete, deutlich dichter besiedelt und weiter entwickelt war als bisher angenommen. Einige indianische Kulturen, zumal in Mittel- und Südamerika, waren demnach älter und geschäftiger als europäische Gesellschaften ihrer Zeit. Das lässt es lächerlich erscheinen, von einer "alten" und einer "neuen" Welt zu sprechen. Aber je primitiver das Amerika vor Kolumbus dargestellt wurde, umso überschaubarer sollte wohl das Werk der Zerstörung wirken, das die Kolonialherren - meist mit dem Kreuz in der Hand - anrichteten.

Franziskus prangerte in Chile die Unterdrückung der Mapuche mit dem zentralen Satz an: "Wir müssen die Denkweise ablegen, dass es höhere und niedere Kulturen gibt." Diese Denkweise ist auch in den heutigen, demokratischen Staaten Lateinamerikas noch mehrheitsfähig. Und ist neben dem Drogenkrieg das zweite allumfassende Drama des Subkontinents. Der erste Papst aus Lateinamerika nimmt sich dem wie keiner seiner Vorgänger an. Seine Umweltenzyklika "Laudatio si" von 2015 ist laut dem emeritierten Bischof Erwin Kräutler die erste der Kirchengeschichte, in der das Amazonas-Gebiet und seine Völker genannt wurden. Sie bildet die theoretische Grundlage aller bisherigen Lateinamerika-Besuche von Franziskus. Schon in Bolivien, Ecuador und Mexiko bat er bei den Indigenen "demütig" um Vergebung für die Verbrechen der europäischen Eroberer und für die Sünden der Kirche, es liegt ihm daran. In Chile mischte er sich sehr direkt in den Landkonflikt der Mapuche mit der Regierung und herrschenden Eliten ein, wozu die dortige Amtskirche gehört. Der Papst ergriff klar Partei für die Indigenen.

Vor und während des Besuchs gab es Brandanschläge, auch auf Kirchen. Mutmaßlich verübt von radikalen Mapuche-Gruppen, von denen sich die Mehrheit der Volksgruppe distanziert. Präsident Sebastian Piñera spricht von Terroristen, die zu verfolgen seien; Franziskus will vermitteln. Er kritisierte den gewalttätigen Widerstand, sprach aber von "zwei Arten der Gewalt". Mit der zweiten meinte er die Regierungstaktik, mit Ureinwohnern "vornehme Abkommen" zu schließen, die nie umgesetzt werden. Ohne sein Heimatland zu besuchen, sandte er eine Botschaft nach Argentinien, wo Mapuche ähnliche Taktiken beklagen.

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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