Katholikentag:Die Kanzlerin predigt das Reden

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Angela Merkel erklärt in Münster ihre Maxime im Kampf gegen das Böse in der Welt: beharrlich bleiben und zäh verhandeln.

Von Matthias Drobinski, Münster

Solch einen Empfang kriegt Angela Merkel nicht mehr so oft. Kaum betritt sie die große Halle auf dem Messegelände in Münster, springen die 4000 Menschen auf und applaudieren im Stehen, bis die Bundeskanzlerin vorn in der ersten Reihe sitzt. Stundenlang haben die ersten angestanden, um sich einen Platz mit Premiumblick auf die Bühne zu sichern, wer pünktlich um elf Uhr kommt, muss draußen bleiben. Seit Jahren sind Katholikentage Heimspiele für die evangelische Kanzlerin: Die vielen in Münster versammelten Anhänger einer liberalen CDU jubeln ihr zu, weil sie für eine liberale CDU steht; wer zur Wahl nicht bei den Christdemokraten sein Kreuz macht, applaudiert ihr für ihre Standhaftigkeit in der Flüchtlingspolitik; die wenigen, die weder die liberale CDU gut finden noch die Flüchtlingspolitik, fallen an diesem Morgen nicht weiter auf.

Das Thema das Podiums lautet: "Deutschland in einer veränderten Weltlage - wie umgehen mit Konflikten und aggressiven Regimes?" Die Kanzlerin geht die Konflikte erst einmal durch, die den Europäern und Deutschen ziemlich nah gekommen sind: die Ukraine, Syrien natürlich, auch Libyen und die Türkei; der Nahe Osten sowieso. Und damit ist sie beim Atom-Abkommen mit Iran, das US-Präsident Donald Trump aufgekündigt hat. Angela Merkel formuliert an diesem Morgen in Münster ziemlich scharf: Das sei ein "schwerer Einschnitt" für die internationale Zusammenarbeit, sagt sie, und es verletze "das Vertrauen in die internationale Ordnung". Die USA blieben selbstverständlich ein wichtiger Partner, doch die Krise des Multilateralismus mache ihr große Sorgen: "Wenn jeder macht, worauf er Lust hat, ist das eine schlechte Nachricht für die Welt."

ZdK-Präsident Thomas Sternberg (li.) bedankte sich bei Angela Merkel dafür, dass sie das Thema Flüchtlinge nicht als reine Sachfrage sieht. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Wie also umgehen mit den Unberechenbaren, Schwierigen und Bösen der Welt? Merkels Maxime lautet: Beharrlich bleiben und zäh, reden, verhandeln, und wenn das nicht direkt geht, dann indirekt: Natürlich rede sie nicht direkt mit Syriens Machthaber Baschar al-Assad, wohl aber mit Russlands Präsident Wladimir Putin, der mit Assad rede. Dann: nicht abstumpfen; "das ist eine Gefahr angesichts der vielen Bilder von Menschen, deren Würde heute mit Füßen getreten wird". Und noch einmal: reden und reden. Da nickt ihr Gesprächspartner, der päpstliche Entwicklungsminister Kardinal Peter Turkson, und sagt: "Frieden wird nicht durch Waffen erreicht, sondern durch Dialog."

Da gibt es warmen Applaus, auch wenn Angela Merkel darüber spricht, dass es auch eine moralische Pflicht ist, sich für die Entwicklung in Afrika einzusetzen, wo die Schäden des europäischen Kolonialismus bis heute sichtbar seien; es gibt Zustimmung, wenn sie ankündigt, dass es spätestens in zwei Jahren ein Einwanderungsgesetz geben soll. Und erst recht rauscht der Beifall, wenn sie den vielen Menschen dankt, die sich für Flüchtlinge engagieren.

Für einen Moment sind in der großen Halle Publikum und Rednerin eins - gegen die unsichere Welt da draußen, gegen alle Fremdenfeinde. Und der ein oder andere vielleicht auch gegen die eigenen Sorgen und Unsicherheiten im eigenen Innern.

© SZ vom 12.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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