Kanzler-Häuser:Im Wohnzimmer der Kanzler

Lesezeit: 2 min

Forschungsobjekt, Gedenkstätte, Privatbesitz: Was aus den Häusern einstiger Regierungschefs wurde.

Von Detlef Esslinger

Marbacher Straße 11 in Ludwigshafen, Stadtteil Oggersheim, das ist eine der bekannteren Adressen des Landes. In den Siebzigerjahren hat sich Helmut Kohl mit seiner Familie auf der Terrasse fotografieren lassen, später brachte er Staatsgäste hierher. Der zweistöckige Bungalow hat als Privathaus einen materiellen und als Teil des Inventars der Bundesrepublik einen mindestens ebenso hohen immateriellen Wert; von all den Dokumenten, die dort lagern, noch gar nicht zu reden. Welche Pläne Kohls Witwe mit dem Haus hat, ist unbekannt. Aber wundern würde es nicht, wenn sie sich, irgendwann, an den Familien Adenauer und Schmidt orientieren würde.

Konrad Adenauer zog 1937 nach Bad Honnef, südlich von Bonn, Ortsteil Rhöndorf, Zennigsweg 8. Er blieb dort bis zu seinem Tod im Jahr 1967. Noch im selben Jahr schenkten seine sieben Kinder dem Staat das Gelände, mit dem Auftrag, die Erinnerung an den Vater zu pflegen. Das Haus ist öffentlich zugänglich, jeder kann es bei freiem Eintritt besichtigen - und sogar einen Blick in das Zimmer werfen, in dem Adenauer schlief und starb.

Helmut Schmidt und seine Frau Loki gründeten bereits 1992 eine Stiftung, um ihr Haus im Hamburger Stadtteil Langenhorn, Neubergerweg 80, langfristig für die Öffentlichkeit zu bewahren. Der frühere Kanzler starb im November 2015; inzwischen kann man das Haus besichtigen - aber nur virtuell, und nicht das Schlafzimmer. Wer auf www.helmut-und-loki-schmidt-stiftung.de klickt, dem wird eine 360-Grad-Führung durch Büro, Wohnzimmer, Sitzecke und die noch gut gefüllte Kellerbar angeboten. Ansonsten dürfen Wissenschaftler das Haus und den Nachlass Schmidts dort nutzen; die Stiftung schreibt auf ihrer Webseite, das Haus solle nach dem Vorbild der "Presidential Libraries" in den USA geführt werden, die dort Bibliothek und Gedenkort zugleich sind.

Die Häuser der drei anderen verstorbenen Altkanzler sind hingegen nach wie vor das, als was sie gebaut wurden: Wohnhäuser. Willy Brandts Witwe Brigitte hat das Haus "Auf dem Rheinbüchel 60" in Unkel, zehn Kilometer südlich von Adenauer, längst verkauft. Das Arbeitszimmer wurde von ihr jedoch dem "Willy-Brandt-Forum" zur Verfügung gestellt, das vor sechs Jahren in der Altstadt des 5000-Einwohner-Ortes eröffnete. Auf dem Rheinbüchel erinnert eine Tafel an den ehemaligen Kanzler, der dort seine letzten drei Jahre verbrachte. Zuvor besaß er in Unkel eine Eigentumswohnung, in der Eschenbrenderstraße 4.

In Tübingen erinnert an Kurt Georg Kiesingers Heim nichts. Wer im Rathaus nachfragt, dem verspricht eine freundliche Mitarbeiterin, sich zu erkundigen - und stellt dazu die Frage: "Wissen Sie die Adresse?" Es ist die Engelfriedshalde 48, das Haus befindet sich in Privatbesitz, die jetzigen Eigner legen keinen Wert auf Publikum.

Wie Ludwig Erhard in Gmund am Tegernsee lebte, Am Ackerberg 12, dem konnte man hingegen einige Jahre lang nachspüren. Der Bungalow wurde in den 1950ern vom berühmten Architekten Sep Ruf gebaut; im Jahr 2000 kaufte es ein Arzt aus der Gegend und vermietete einen Teil als Ferienwohnung. Er legte dazu eine Internetadresse an. Heute wird das Haus ausschließlich privat benutzt. Wer nun die Webseite anklickt, wird auf eine Pornoseite umgeleitet.

© SZ vom 21.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: