Kampf gegen Korruption in China:Den großen Tieren an den Kragen

Lesezeit: 3 min

Zhou Yongkang war das Haupt des Sicherheitsapparates. Jetzt läuft eine Korruptions-Untersuchung gegen den 70-Jährigen. (Foto: REUTERS)

Er war einer der mächtigsten Männer in China: Zhou Yongkang hatte den Oberbefehl über Chinas Polizei, Staatssicherheit und Gerichte. Nun wird wegen Korruption gegen den Ex-Sicherheitschef und Vertraute ermittelt. Das ist beispiellos - und riskant.

Von Kai Strittmatter, Peking

Der Mann war zehn Jahre lang einer der mächtigsten Männer Chinas, vor allem aber unter Bürgerrechtlern der meist gefürchtete: Zhou Yongkang war das Haupt des Sicherheitsapparates. Er hatte bis 2012 den Oberbefehl über Chinas Polizei, Staatssicherheit und Gerichte. Er baute in Jahren sozialer Spannungen den Überwachungsstaat aus, und sorgte dafür, dass Chinas Budget heute mehr Geld für die "innere Sicherheit" vorsieht als für die Landesverteidigung.

Er brachte den Schriftsteller Liu Xiaobo hinter Gitter, wo dieser 2010 den Friedensnobelpreis erhielt. Seit November ist er offiziell im Ruhestand. Als die Hongkonger Zeitung South China Morning Post am Freitag meldete, die KP bereite eine interne Korruptions-Untersuchung gegen den 70-Jährigen vor, da reagierten viele Beobachter zunächst ungläubig: Ein solcher Schlag wäre noch spektakulärer als der gegen den Parteichef von Chongqing, Bo Xilai, dessen Prozess vergangene Woche endete.

Dann kam am Wochenende mit dem Sturz des Spitzenfunktionärs und Zhou-Freundes Jiang Jiemin der nächste Paukenschlag. Mit einem Mal gewinnen die Spekulationen an Wahrscheinlichkeit, und es könnte tatsächlich sein, dass sich die Schlinge um Zhou allmählich zuzieht. Der nun seines Amtes enthobene Jiang Jiemin leitete seit März die Kommission zur Kontrolle und Verwaltung von Staatsvermögen (SASAC), das heißt, er beaufsichtigte die mächtigen Staatsunternehmen.

Davor war er nach einer Karriere in der Ölindustrie Chef der China National Petroleum Corporation CNPC. Die Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlichte am Sonntag eine dürre Nachricht, in der sie mitteilte, Jiang Jiemin werde "schwerer Disziplinarvergehen" verdächtigt und werde deshalb untersucht. In China steht diese Wortwahl gewöhnlich für ein Verfahren wegen Korruption oder aber Amtsmissbrauch. Am Dienstag meldete Xinhua dann, dass der Spitzenfunkionär entlassen worden ist.

Die Tiger wie die Fliegen

Interessant ist der Sturz Jiang Jiemins vor allem deshalb: Er gilt als Gefolgsmann Zhou Yongkangs - und er ist nun zwar der ranghöchste, aber beileibe nicht der erste Zhou-Alliierte aus der Ölindustrie, gegen den die Inspektoren jüngst zuschlugen. Vergangene Woche schon waren vier weitere CNPC-Manager offiziell wegen des Verdachtes auf Korruption ihrer Ämter enthoben worden.

Die Wirtschaftszeitschrift Caixin nennt die Kampagne gegen Angehörige eines so mächtigen Staatsunternehmens "beispiellos". Was aber vor allem auffällt: Die Festgenommenen stammen alle aus dem Netzwerk Zhou Yongkangs. Bevor Zhou von 2002 bis 2012 Chinas Sicherheitsapparat leitete hatte er ein Leben lang Karriere in der staatlichen Ölindustrie sowie im Parteiapparat der Provinz Sichuan gemacht und in beiden Lagern seine Machtbasis aufgebaut. Nicht nur bei CNPC schlugen die Parteiinspekteure nun zu, auch in Sichuan stürzen sie alte Zhou-Gehilfen wie den früheren Vizegouverneur der Provinz, Guo Yongxiang, den es schon im Juni traf.

Die South China Morning Post schrieb am Freitag, Chinas Führer hätten bei ihrer Sommerenklave im Küsten- und Badeort Beidaihe beschlossen, Zhou Yongkang zur Zielscheibe zu machen. Offiziell wegen der "riesigen Reichtümer, die seine Familie zusammengerafft hat". Parteichef Xi Jinping habe den Inspekteuren befohlen "der Sache auf den Grund zu gehen".

Xi startete vor einigen Monaten eine Kampagne gegen Korruption und Verschwendung, und versprach dem Volk, es werde "die Tiger" - also die großen Tiere - ebenso treffen wie "die Fliegen". Es ist allerdings üblich in China, Verlierer im Machtkampf offiziell wegen "Korruption" vor Gericht zu stellen. Andere werden nicht angetastet. Der Familie von Ex-Premier Wen Jiabao zum Beispiel hatte die New York Times Ende vergangenen Jahres ein Vermögen von umgerechnet mehr als zwei Milliarden Euro nachgewiesen, bis heute ist von keiner Untersuchung gegen die Familie bekannt.

Eine Untersuchung gegen Zhou Yongkang wäre tatsächlich beispiellos: Zhou war 2002 in den Ständigen Ausschuss des Politbüros aufgerückt - der engste Zirkel der Macht in China, der damals aus neun Personen bestand. Seit der Kulturrevolution vor fast vier Jahrzehnten haben die KP-Führer keinen aus diesem Zirkel mehr angetastet: In dieser Position war man bislang immun gegen jede Art von Untersuchung, ob amtierend oder im Ruhestand.

Warum es nun Zhou trifft? Er war ein enger Alliierter des gestürzten Bo Xilai, der einzige an der Spitze, so wird kolportiert, der bis zu dessen Festnahme noch zu ihm stand. Ein Vorgehen gegen Zhou ist nicht ohne Risiko: Als langjähriger Chef der Staatssicherheit weiß er wohl viele Geheimnisse der anderen Funktionäre, als Patron der Ölindustrie hat er beobachtet wie sich die Familien vieler anderer bereicherten.

Die Tatsache, dass Xi Jinping sich nun stark genug fühlt, gegen Zhous Umfeld und am Ende vielleicht auch gegen ihn selbst vorzugehen, wird von vielen als weitere Konsolidierung der Macht des Parteichefs gedeutet. "Wenn Xi es mit Zhou Yongkang und dessen Machtbasis aufnehmen kann, wer sollte es dann noch wagen, zu denken, er könne Xis Worte ignorieren?" schrieb am Montag der China-Analyst Bill Bishop in seinem Newsletter.

Beobachter erwarten, dass die Führung um Xi Jinping bei einem Parteikongress im November Reformen im Wirtschafts- und Finanzsektor verkündet. Der stärkste Widerstand dagegen kommt aus dem mächtigen Lager der Staatsindustrie. Jeder Schlag gegen das Lager von Zhou ist nun automatisch ein Warnsignal an dieses Lager.

Ob es am Ende wirklich zu einer Untersuchung Zhou Yongkangs kommt, sei noch offen, melden sowohl SCMP als auch die New York Timesunter Berufung auf Parteikreise. Am Ende könnte sich die neue Parteispitze damit zufriedengeben, Zhous Einfluss zu brechen.

© SZ vom 03.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: