Justiz:Schlüsselfigur in der Abgasaffäre

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Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Audi-Verantwortliche. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Ein Ex-Audi-Ingenieur sagt umfassend aus und darf die U-Haft verlassen.

Von Klaus Ott, München

Giovanni P., ehemaliger Motorenentwickler bei der Volkswagen-Tochter Audi, weiß viel über die Abgasaffäre und wie es dazu gekommen sein soll. Und er hat viel erzählt bei der Staatsanwaltschaft München II, die in diesem Fall ermittelt. Seitdem P. Mitte des Jahres in München-Stadelheim in Untersuchungshaft kam, hat er in weit mehr als zehn Vernehmungen umfassend ausgesagt und jede Menge Material geliefert. Von ihm haben die deutschen Ermittler vermutlich weit mehr erfahren als von jedem anderen Beschuldigten. P. soll bei Audi geholfen haben, eine Software für die Manipulation von Abgasmessungen zu entwickeln. Er steht unter dringendem Tatverdacht.

Am Freitagnachmittag durfte Giovanni P. das Gefängnis verlassen und nach Hause gehen. Nach Angaben seiner Verteidiger Walter Lechner und Klaus Schroth hat das Oberlandesgericht (OLG) sowohl den deutschen Haftbefehl wie auch einen US-Auslieferungshaftbefehl aufgehoben; gegen 80 000 Euro Kaution und weitere Auflagen. "Unser Mandant wird dem Verfahren weiter zur Verfügung stehen und weiter bei der Staatsanwaltschaft München II aussagen", versicherten die beiden Anwälte. Nach Hause, das bedeutet für P. aber nicht, nach Italien, wo er herkommt. Sondern nach Karlsruhe, wo er eine Wohnung hat.

Giovanni P. ist bei der Aufklärung der Abgasaffäre inzwischen zu einer Schlüsselfigur geworden, zu einer Art Kronzeuge. Seine Aussagen haben dazu geführt, dass Ende September der frühere Audi-Manager und spätere Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz in Untersuchungshaft kam. Porsche gehört wie Audi zum VW-Konzern. Aufgrund der Angaben von P. verdächtigt die Staatsanwaltschaft Hatz der Verdunkelung, sprich: Vertuschung. Hatz bestreitet das und behauptet vielmehr, er habe aufklären wollen. Seine Anwälte haben Mitte Oktober eine umfassende Beschwerde eingereicht und beantragt, den Haftbefehl gegen ihren Mandanten aufzuheben oder hilfsweise außer Vollzug zu setzen. Für letzteren Fall boten die Anwälte drei Millionen Euro Kaution an. Das Landgericht München I wies die Haftbeschwerde allerdings zurück. Hatz kann nunmehr das OLG München anrufen. Seine Anwälte hatten sich diese Woche auf Anfrage von SZ, NDR und WDR nicht äußern wollen.

Bei Giovanni P. ist das OLG München zu der Ansicht gelangt, dieser Beschuldigte habe durch umfangreiche Vernehmungen seine Kooperationsbereitschaft gezeigt und Aufklärungshilfe geleistet. Sein Erscheinen zu weiteren Vernehmungen sei durch die Auflagen gesichert. Zugunsten von P. vermerkte das OLG auch, dieser könne nicht als maßgeblicher Entscheidungsträger bei Audi betrachtet werden. Und es könne derzeit auch nicht widerlegt werden, dass der Motorenentwickler seine Vorgesetzten bei Audi über gravierende Probleme bei der Abgasreinigung von Dieselfahrzeugen für den US-Markt aufgeklärt habe.

Der "Kronzeuge" muss auch nicht mehr befürchten, in die USA ausgeliefert zu werden

Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt wegen des Verdachts, Audi habe 80 000 Käufer von Dieselautos in den USA betrogen. Die Fahrzeuge seien nicht, wie versprochen, "Clean Diesel" gewesen. Die Schadstoffwerte seien manipuliert worden und insofern auf der Straße viel höher gewesen als bei den Messungen der Behörden. Die gesetzlichen Grenzwerte für gesundheitsschädliche Stickoxide seien weit überschritten worden. Die Manipulationen hat die Audi-Mutter Volkswagen bei den US-Behörden selbst zugegeben. Die Ermittler in Übersee fahnden nach früheren VW-Managern, und eben auch nach Giovanni P.

Der muss einstweilen nicht mehr befürchten, in die USA ausgeliefert zu werden. Das OLG München erklärte, eine Überstellung an die US-Behörden könne abgelehnt werden, solange das deutsche Strafverfahren noch laufe. Und nach einem rechtskräftigen Abschluss des Münchner Verfahrens komme unter dem Gesichtspunkt, dass niemand wegen einer Sache mehrmals verfolgt werden dürfe, eine Auslieferung in die USA grundsätzlich nicht in Betracht. Die dortigen Gefängnisse gelten als besonders hart. Da kooperiert P. lieber mit den deutschen Behörden und sagt weiter aus.

© SZ vom 18.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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