Justiz:In Frankreichs Gefängnissen soll es angenehmer werden

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Präsident Emmanuel Macron kämpft mit einem Gesetz gegen überfüllte Haftanstalten. Seine Idee: Weniger Kurzstrafen für kleine Delikte - und stattdessen mehr Hausarreste und Fußfesseln.

Von Nadia Pantel, Paris

Es gibt nur noch wenige Bereiche des französischen Alltags, denen Präsident Emmanuel Macron keinen Umbau verordnet hat. In den vergangenen Tagen haben er und seine Regierung eine Neustrukturierung der Staatsbahn SNCF und des Ausbildungssystems angekündigt. Am Dienstag besuchte Macron dann als erster Präsident die Hochschule für Gefängnisbeamte. Er philosophierte dort nicht nur über "den Sinn von Strafe", er stellte auch ein konkretes Reformprogramm vor. Sein Lieblingsbegriff ist dabei stets: Effizienz. Die Züge sollen pünktlicher werden, gleichzeitig sollen die Bahnbeamten auf Privilegien verzichten. Arbeitslose sollen leichteren Zugang zu Umschulungen und Ausbildungen erhalten, gleichzeitig aber weniger frei entscheiden können, welchen Berufsweg sie einschlagen wollen. Nun soll auch der Strafvollzug straffer organisiert werden.

Wachpersonal, Häftlinge und Justiz sind sich in einem Punkt einig: Frankreichs überbelegte Gefängnisse sind in einem schäbigen Zustand. Auf 100 Gefängnisplätze kommen im Schnitt 113 Verurteilte, wie eine Studie des Europarats 2017 feststellte. In Deutschland sind es 85. Die Enge in Frankreichs Gefängnissen führt häufig zu Gewalt, nicht nur zwischen Häftlingen. Auch Wärter werden angegriffen.

Zuletzt hatte der Fall des deutschen Islamisten Christian Ganczarski für Aufsehen gesorgt. Der Al-Qaida-Komplize Ganczarski war als besonders gefährlich eingestuft und in der Region Pas-de-Calais in Isolationshaft verlegt worden. Dennoch gelang es ihm am 11. Januar, vier Sicherheitsbeamte anzugreifen. Daraufhin traten Gefängnisbeamte in ganz Frankreich in den ausdauerndsten Streik, den der Strafvollzug seit den 1990er Jahren erlebt hat. Ende Januar einigten sich Regierung und Gewerkschaften darauf, die Hochsicherheitstrakte der Gefängnisse auszubauen.

Macrons Initiative setzt nun weder bei den Haftbedingungen noch bei der Entlohnung des Personals an. Sondern bei der Justiz. Seine Idee: Wenn die Richter weniger Haftstrafen verhängen, werden die Gefängnisse entlastet. In dem Reformpapier rechnet der Präsident vor, dass jährlich 10 000 Strafen verhängt werden, die eine Haft von weniger als einem Monat vorsehen. Solche Kurzaufenthalte im Gefängnis sollen abgeschafft werden. Weitere 90 000 Fälle jährlich sehen Haftstrafen von weniger als sechs Monaten vor. Auch diese Verurteilten möchte Macron nicht mehr im Gefängnis sehen. Sie sollen mit elektronischen Fußfesseln unter Hausarrest gestellt werden. Bei den Delikten, bei denen die Reform greifen soll, handelt es sich laut Reformpapier vor allen Dingen um kleinere Diebstähle, "leichte Gewaltverbrechen" und Verstöße gegen die Verkehrsordnung.

Präsident Macron betonte, es gehe ihm nicht nur um eine Entlastung der Gefängnisse, die Verurteilten sollten würdevoller behandelt werden. Neben Effizienz ist Individualismus sein zweites Lieblingswort. Man müsse "auch an den Moment denken, wenn diese Verurteilten wieder Teil der Gesellschaft werden". Gefängnisse dürften nicht länger "Vorstufen des Rückfalls" sein.

Spätestens seit den Anschlägen auf Charlie Hebdo und den Pariser Club Bataclan diskutiert Frankreich darüber, wie verhindert werden kann, dass Terrornetzwerke die Gefängnisse zur Rekrutierung nutzen. In Europas größter Haftanstalt, Fleury-Mérogis bei Paris, hatten unter anderem die Terroristen Salah Abdeslam (Bataclan) und Chérif Kouachi (Charlie Hebdo) ihre Kontakte zu anderen gewaltbereiten Islamisten vertieft.

Der Umbau der Gefängnisse ist Teil einer umfassenderen Justizreform, die Anfang April in einem neuen Gesetz zusammengefasst werden soll. Politiker der konservativen Republikaner kritisierten Macrons Gefängnisreform als verkappte Sparmaßnahme und Verharmlosung von Kriminalität.

© SZ vom 08.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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