Justiz:Giftmischer mit unklaren Absichten

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Haftbefehl gegen einen Tunesier: Er soll in seiner Kölner Wohnung Rizin hergestellt haben. Doch die Ermittler haben noch keine Hinweise, ob, wo und wann er tatsächlich einen Anschlag begehen wollte.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Wegen des dringenden Verdachts, in seiner Kölner Hochhauswohnung hochgiftiges und daher verbotenes Rizin hergestellt zu haben, sitzt ein 29-jähriger Tunesier seit Mittwoch in Untersuchungshaft. Unklar blieb zunächst, ob der in seiner Heimat offenbar als Islamist bekannte Mann ein Attentat in Deutschland vorbereitete: Es gebe bisher keine Anhaltspunkte für eine "nach Ort und Zeitpunkt konkretisierte Anschlagsplanung", teilte die Bundesanwaltschaft am Donnerstag mit. Zwar gibt es Indizien, dass der Verhaftete Sympathien für die Terrormilizen des "Islamischen Staats" bekundet hatte. Klare Hinweise, dass er vom IS gesteuert wurde, fanden sich jedoch bisher nicht.

Der Tunesier, der mit einer zum Islam konvertierten Deutschen in einer Hochhaussiedlung in Köln-Chorweiler lebt und vier Kinder hat, war am Dienstagabend von einem Spezialeinsatzkommando der Polizei festgenommen worden. Die Behörden hatten den Mann observiert, nachdem Mitte Mai Hinweise eingegangen waren, der Verdächtige habe auf einen Schlag im Internet große Mengen an Rizinussamen bestellt. Der Versandhändler hatte den Kauf gemeldet. Die Bundesanwaltschaft teilte am Donnerstag mit, es habe sich um eine Order von 1000 Samen gehandelt. Nicht bestätigen wollte ein Sprecher, dass der entscheidende Tipp vom US-Geheimdienst CIA gekommen sei.

Mit Schutzmasken verlassen SEK-Beamte das Hochhaus in Köln-Chorweiler, in dem der Verdächtige das hochgiftige Rizin aufbewahrt hat. (Foto: David Young/dpa)

Anschließend habe sich der Verdächtige, dessen Namen die Bundesanwaltschaft mit Sief Allah H. angab, "die für die Gewinnung von Rizin notwendigen Gerätschaften und Substanzen" beschafft. Außer mehreren Chemikalien gehörte dazu eine elektrische Kaffeemühle, mit der H. die Samen zerkleinerte. Seit Anfang Juni gelang es dem Verdächtigen, Rizin aus den Samen zu lösen und als Konzentrat aufzubereiten. Das hochgiftige Protein wird auf einer Liste des Kriegswaffenkontrollgesetzes als potenzielle Waffe geführt. H. droht deshalb nun eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren.

Nicht erhärtet haben sich bisher Befürchtungen, der Verhaftete habe eine "Bio-Bombe" für einen Terroranschlag gefertigt. Die Ermittler suchten am Donnerstag in elektronischen Geräten von H. nach Hinweisen, dass der Tunesier im Internet etwa Bauanleitungen für Sprengsätze studiert oder heruntergeladen hatte. Vorerst bestehe "kein dringender Tatverdacht wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat", erklärte die Bundesanwaltschaft.

H. lebte seit November 2016 in der Bundesrepublik. Bis zum Hinweis auf den Kauf von Rizinussamen war der Tunesier den deutschen Sicherheitsbehörden nicht aufgefallen.

© SZ vom 15.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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